Die Leiden eines Waisenmädchens
Zum 200. Geburtstag des polnischen Komponisten Stanislaw Moniuszko zeigt das Theater an der Wien seine Oper "Halka" – musikalisch gelungen, aber mit szenischen Schwächen
Stanisław Moniuszko ist auch im Jahr seines 200. Geburtstages bei uns nahezu unbekannt – am Sonntag war mit der Oper "Halka" eines seiner Schlüsselwerke im Theater an der Wien als Koproduktion mit dem Teatr Wielki in Warschau zu sehen.
Inhaltlich geht es um das leibeigene Waisenmädchen Halka, das sich in den adeligen Janusz verliebt, von ihm geschwängert und dann wegen einer standesgemäßen Hochzeit verstoßen wird. In seiner Neuinszenierung verlegte Mariusz Trelinski die tragische Geschichte in die 70er-Jahre mitten in den polnischen Kommunismus. Als Szenerie wählte er ein Hotel, in dem ebenfalls der sozialkritische Konflikt zwischen Bedienten und Bedienenden an der Tagesordnung ist. Doch selbst im finstersten Kommunismus hatte man mehr Rechte als Leibeigene am Hof adeliger Großgrundbesitzer – somit war nicht alles schlüssig. Was aber weniger störte als die ständige Aktion, das unaufhörliche Drehen der Bühne und somit das Fehlen von intimen Momenten, die es in dieser Oper genügend gibt.
Dennoch gelingt es Mariusz Trelinski in der trostlosen kommunistischen Protzarchitektur (Bühne: Boris Kudlicka) sehr gut, die zwischenmenschlichen Beziehungen herauszuarbeiten und die Personenführung zu perfektionieren.
Viel wichtiger als das Optische ist jedoch Moniuszkos Musik, die aus dem vollen stilistischen Umfeld ihrer Zeit schöpft. Dazu kommt Moniuszkos unglaubliches Können im Erfinden von Melodien. Das nutzte Dirigent Łukasz Borowicz mit dem ORF-Radio-Symphonieorchester Wien weidlich aus, das die Partitur stimmig zum Klingen brachte und die Melodien ideal in Szene setzte. Dabei wären noch größere dynamische Abstufungen und gewisse Freiheiten möglich gewesen.
Zerbrechliche Halka
Für die beiden Polen Tomasz Konieczny und Piotr Beczała bot die Oper die willkommene Abwechslung, in der Muttersprache singen zu dürfen. Dabei verkörperte Konieczny beeindruckend den brutalen Edelmann Janusz, der sich Halka vom Hals schaffen will und doch an ihrer treuen Liebe zu zerbrechen droht. Beczała zeichnete seine Figur Jontek als Gegenspieler, der zwischen Räson und Leidenschaft schwankt. Großartig sein stimmlicher Einsatz für Moniuszkos weitgespannte Kantilenen. Corinne Winters zeichnete die zerbrechliche Halka in allen Facetten, vom kleinsten Funken Hoffnung auf ein Leben mit Janusz bis zur Gewissheit, dass sie nicht nur ihr Kind verloren hat, sondern damit auch die Berechtigung zum Leben. Sängerisch begeisterte sie restlos.
Fazit: Musikalisch gelungener Rettungsversuch eines zu Unrecht bei uns verdrängten Komponisten, szenisch aber nicht immer schlüssig.
Theater an der Wien: Premiere von Stanisław Moniuszkos Oper "Halka" am 15. Dezember