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Im Quadrat zum Rad

Von Klaus Kühlewind, 10. Juni 2017, 00:04 Uhr
Im Quadrat zum Rad
Gruppenfoto des Radfahrer-Vereins Ehingen aus dem Jahr 1895, bei dem die Mitglieder sowohl mit Hoch- als auch mit Niederrädern posieren. Bild: Deutsches Fahrradmuseum Bad Brückenau

In Mannheim wurde vor 200 Jahren der Drahtesel erfunden. Nun würdigt man dessen Schöpfer Karl von Drais mit einer sehenswerten Ausstellung.

Mannheim gilt als Stadt der Quadrate. Heuer geht es allerdings rund. Denn bei vielen Events steht Freiherr Karl von Drais, der mit seiner Laufmaschine vor 200 Jahren den Prototyp des Fahrrads erfunden hat, im Mittelpunkt. Ihm sind eine Ausstellung, Stadtführungen und ein Musical gewidmet.

Daniel Sabel ist eine ergiebige Informationsquelle. Der schlaksige Mann steht in der Sonderausstellung "2 Räder – 200 Jahre" des Mannheimer Technoseums und hantiert mit der metallenen Lampe. Wortbedächtig erklärt er, wie das mit dem Karbid in frühen Fahrradlampen funktioniert hat, und lässt Besucher mit ausgewählten Stücken experimentieren. "Ich bin sehr an Fahrrädern interessiert, und da hat sich das bestens gefügt", sagt der Techno-Scout. Eine Menge Bücher habe er für die Ausstellung gelesen, schließlich habe jedes Rad eine ganz eigene Geschichte.

Ihren Anfang nahm die Geschichte des Fahrrads im Jahre 1817 mit einem für damalige Zeiten obskuren Gerät. "Laufmaschine" nannte Drais seine Erfindung. "Von einem Rad hat er niemals geschrieben", sagt Thomas Kosche, Initiator der Schau. Sehr bewusst hatte der Freiherr den Begriff Maschine gewählt, sollte seine Konstruktion doch modern klingen und Fortschritt versprechen. Als der damals 32-Jährige am 12. Juni 1817 zur Jungfernfahrt aufbrach, sich mit den Füßen vom Boden abstieß und nach einer Stunde zu seinem Elternhaus zurückkehrte, hatte er die etwa 14 Kilometer so schnell wie ein Reitersmann hinter sich gebracht. Sehr bewusst wohl hatte Drais die Strecke gewählt zur Pferdewechselstation vor Schwetzingen, dem heutigen Rheinau.

Im Quadrat zum Rad
Im Technoseum versuchen sich Besucher am Lauf- wie am Hochrad. Bild: Technoseum

Doch nur wenige Menschen hatte er für das Novum begeistern können. Die Folgen des napoleonischen Krieges und Ernteausfälle in Europa nach einem gigantischen Vulkanausbruch auf der indonesischen Insel Sumbawa trieben die Menschen mehr um als dieses Spaßgefährt.

Die Ausstellung präsentiert die Geschichte des Rades von den Anfängen über das unfallträchtige Hochrad bis zur Fertigung moderner Varianten. Sie zeigt Bilder aus alten Werkstätten, setzt Objekte wie ein Klapprad oder ein modernes Singlespeed-Bike in Szene. Auf einem verschlungenen Zeitstrahl geht es in der etwa 800 Quadratmeter großen Halle durch die Rad-Epochen. Außer Schauen ist Anfassen und Ausprobieren erlaubt und erwünscht. An interaktiven Stationen kann der Besucher erforschen, wie sich die Übersetzung der Kette auf die Umdrehungen des Rades auswirkt und wie ein Dynamo arbeitet. Tipps zum Mitnehmen gibt es beim Reifenwechseln, Bremseneinstellen oder dem korrekten Ölen der Kette. Am Ende macht Techno-Scout Tal Cohen Besuchern vor, wie sie ein Hochrad erklimmen und in gut 1,30 Meter Höhe in die Pedale treten.

Diener für das Hochrad

"Das Aufsteigen war schon immer schwer", sagt Cohen. Doch den meisten Menschen, die in den 1870er- und 1880er-Jahren ein Hochrad hatten, war Hilfe beschieden. "Viele Besitzer waren Adlige. Und die hatten Diener, die das Rad gehalten haben", sagt Cohen. Im Technoseum ist die Aufstiegshilfe ein solides Metallgestell, in dem das Hochrad fixiert ist – und hin und wieder die Hand eines Techno-Scouts.

Mögen Bonanza-Räder und andere extravagante Kreationen längst vom Rost zerfressen sein, Thomas Kosche ist sehr zuversichtlich, dass das Fahrrad Zukunft hat. "Es ist schnell und bequem. Man vergeudet außerdem keine Zeit mit der Parkplatzsuche."

Im Quadrat zum Rad
Das „Drais“-Musical ist noch zwei Mal zu sehen. Bild: Capitol/René von der Voorden

Das Fahrrad-Jubiläum bewegt auch die Kunst: Im Mannheimer Capitol wird noch am 8. September und 1. Oktober jeweils um 20 Uhr das Musical "Karl Drais – die treibende Kraft" gezeigt. Dreh- und Angelpunkt des Bühnenstücks ist das Quadrat M 1, womit zugleich eine Besonderheit der Stadt deutlich wird: die Anlage des Stadtbildes in Quadraten.

1606 ließ Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz den Grundstein zum Bau der Festung Friedrichsburg legen. Ein Jahr später wurde die Stadt gegründet. Die Innenstadt zwischen Rhein und Neckar hatte die Form eines Hufeisens. Darauf legten die Planer ein Gitternetz, bei dem die noch heute gültigen "Mannemer" Quadrate entstanden. Diese sind bis heute geblieben, auch wenn die Stadt nach insgesamt vier Zerstörungen immer wieder neu aufgebaut wurde.

Während in anderen Städten die Straßen nach berühmten Menschen, Gebirgen oder Tieren benannt sind, gibt es in der Quadratestadt Mannheim Buchstaben und Zahlen. Das Rathaus zum Beispiel hat seinen Platz in E5. Im M1 hockte dereinst der junge Erfinder Karl von Drais und "versuchte, seinen Platz zwischen übersprudelndem Ideenreichtum und engstirniger Bürokratie, zwischen obrigkeitshörigem Vater und dem eigenen freien Geist zu festigen", sagt Georg Veit, künstlerischer Leiter des Capitol. Von ihm stammt das Buch zum Musical, zudem führt er Regie. Er verknüpft in dem Stück die Persönlichkeit Drais’ mit den Zeitläufen.

Ein sperriger Charakter

Laut Ausstellungsinitiator Thomas Kosche war Drais ein "hoch kreativer, aber wohl sehr sperriger Charakter", dem mit seinen Erfindungen jedoch nie Erfolg beschieden war. Weder die Laufmaschine noch seine Holzsparöfen oder die Schnellschreibmaschine kamen an. 1825 verließ er die Stadt, um in Brasilien als Landvermesser zu arbeiten. Gut zwei Jahre später kam er zurück. Er starb einsam und arm in Karlsruhe, wo er auch zur Welt gekommen war.

 

Informationen

„2 Räder – 200 Jahre“: Ausstellung über die Geschichte des Fahrrades im Technoseum, Museumsstr. 1, bis 26. Juni, täglich von 9 bis 17 Uhr, Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Kinder bis sechs Jahre sind frei.
Info-Tel. +49(0)621/42989, www.technoseum.de

„Monnem Bike“ ist Name und Programm zugleich. Mit dem Untertitel „wo alles begann“ hat die städtische Geschäftsstelle Radjubiläum auf einer Internetseite die Angebote gebündelt, mit Tipps für Radtouren und dem handlichen Ratgeber „Rad im Quadrat“ zum Download, monnem-bike.de

Fahrradtour in der Fahrrinne des Freiherrn von Drais, 13. August, 14-16 Uhr, 8 Euro mit eigenem Fahrrad, 12 Euro mit Mietfahrrad, Anmeldung erforderlich, Tourist Information Mannheim, Willy-Brandt-Platz 5, 68161 Mannheim, Tel. +49(0)621/2938700, www.tourist-mannheim.de

Das Musical „Karl Drais – die treibende Kraft“ ist im Capitol Mannheim, Waldhofstraße 2, noch am 8. September und am 1. Oktober, jeweils um 20 Uhr, zu sehen. Tickets zu Preisen zwischen 34,50 und 39,50 Euro gibt es unter Tel. +49(0)621/3367333, www.capitol-mannheim.de

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Gruppenfoto des Radfahrer-Vereins Ehingen aus dem Jahr 1895, bei dem die Mitglieder sowohl mit Hoch- als auch mit Niederrädern posieren.

 

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1  Kommentar
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Velocipedist (2 Kommentare)
am 14.06.2017 10:21

"Diener für das Hochrad"

Ein Hochrad muss von niemanden gehalten werden beim Aufsteigen. Was Hr. Cohen da behauptet ist Unsinn. Wenn ein Adeliger überhaupt mit einem Fahrrad fuhr, dann eher mit einem Dreirad.

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