Der perfekte Zaun
Zäune sind zwischenmenschliche Gesten. Sie stehen zwischen Eigenem und Fremdem, markieren das Private im Öffentlichen. Zäune haben zwei Seiten: Errichtet werden sie von den einen, leben müssen auch die anderen damit.
Nicht erst in diesen Tagen und nicht nur an der Staatsgrenze sind Zäune eine Frage der Politik. Mit „Polis“ meinten die alten Griechen die Stadt, das Gemeinwesen. Insofern ist jeder Zaun politisch: So privat er sich von innen anfühlen mag, nach draußen ist er auf jeden Fall eine öffentliche Angelegenheit. Ob Straße oder Gehsteig, Spielplatz oder Sportplatz, Wanderweg oder Parkanlage – Der öffentliche Raum endet an den geschmiedeten Spießchen, an den Gittermaschen und Stacheldrähten der Zaunkönige dahinter. Als „Politikum“ müsste der zeitgenössische Zaun folglich mehr diskutiert werden. Ob es etwa gut zu heißen ist, dass die Landschaft zum Gehege aus beschichtetem Aluminium und glänzendem Kunststoff wird mit einer Sockelmauer aus chinesischem Granit, glatt poliert wie ein Grabstein.
Das Mittelalter ist vorbei. Wolf und Wildsau sind keine Feinde mehr, die Gesellschaft ist nicht mehr feudal sondern demokratisch organisiert. Ein Zaun ist in manchen Fällen schön und gut, aber er soll weniger als böse Barriere, mehr als freundliche Umfriedung gestaltet werden. Als architektonisches Element ist der Zaun das leichte Geschwisterchen der Wand. Er ist ein bauliches Accessoire im Übergang zwischen öffentlich und privat, ein trennendes Element unter Gleichen. Er darf leichter, lebendiger und unprätentiöser sein als die Mauer. Und manchmal ist eine natürliche Hecke aus heimischen Sträuchern die bessere Wahl.
Ich mag Zäune um mein Haus und meinen Grund. Denn es ist unglaublich lästig, wenn die Dörfler plötzlich vor der Terrasse stehen und Fragen stellen, die man höchstens sehr nahestehenden Freunden beantwortet. Ausserdem ist es ein zusätzlicher Schutz vor Einbrechern, denn Nachbarn pflegen ja niemals was zu bemerken.