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Gedenktag in Hartheim: "Es hat geheißen, es wird nur Gerümpel verbrannt"

Von Valentin Bayer, 01. Oktober 2024, 12:11 Uhr
"Es hat geheißen, es wird nur Gerümpel verbrannt"
Olga Stoiber erzählt von der Zeit der Tötungsanstalt in Hartheim.

ALKOVEN. Olga Stoiber war 15 Jahre alt, als in Schloss Hartheim in ihrem Heimatort Alkoven das NS-"Euthanasie"-Programm begann.

Nur einmal sei sie ins Schloss Hartheim gekommen, als es noch eine Pflegeanstalt für geistig behinderte Menschen gewesen sei, erzählt Olga Stoiber. "Dann ist niemand mehr hineingekommen", sagt die 99-Jährige.

Sie war 15 Jahre alt, als die Nationalsozialisten das Schloss 1940 zu einer Tötungsanstalt für die "Aktion T4" machten – Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen wurden systematisch ermordet. Später wurden dort auch arbeitsunfähige Häftlinge aus KZs und zivile Zwangsarbeiter getötet. Bis 1944 brachten die Nationalsozialisten 30.000 Menschen in der Gaskammer um. Die Leichen wurden vor Ort in einem Krematorium verbrannt. Heute, am 1. Oktober, findet im Schloss Hartheim die Gedenkfeier für die Opfer statt.

Die Dokumente zu Hartheim vernichteten Nationalsozialisten fast vollständig – umso wertvoller sind Zeitzeugenberichte wie jener von Olga Stoiber für die Dokumentation "Lebensspuren". Sie war mit ihrer Familie 1937 aus Kirchdorf an der Krems nach Alkoven gezogen, ihre Eltern übernahmen dort eine Bäckerei.

"Auf einmal waren die da"

Einige Bewohner der Pflegeanstalt seien im Ort unterwegs gewesen und hätten gearbeitet, erzählt Stoiber: "Der Johann war taubstumm, aber der Geist war gut beisammen. Dem hat man alles anvertrauen können, wir haben ihn immer mit Erlagscheinen zur Post geschickt."

1940 wurden die Bewohner nach Linz gebracht, das Schloss wurde umgebaut und für die Tötungen vorbereitet. "Auf einmal waren die da, die Reichsdeutschen. Lauter große Herren. Man hat ja nicht gewusst, was da wird. Wir haben uns eine Offiziersausbildung vorgestellt", erzählt Stoiber. Im Mai 1940 begannen die Morde in den Gaskammern. "Wir haben nichts gesehen eigentlich", erzählt die 99-Jährige.

Beim Schloss wurde ein Verschlag errichtet, in den ständig Transporter fuhren. Einmal sei Stoibers Vater, der als Bäcker früh zu arbeiten begann, in die Wohnung über der Backstube gekommen. "Es stinkt so, wie wenn lauter Haare verbrennen würden, hat er erzählt", erinnert sich Stoiber. 

Oft hat sie mit ihrer Mutter Brot zum Schloss geliefert: "Hinein sind wir nie. Einmal war ein Türl offen. Da hab ich gesehen, dass da teilnahmslos eine liegt. Dann ist der Koch gekommen und hat gesagt: Seids ihr schon lange da? Nein, wir sind gerade gekommen, haben wir gesagt. Es war so gefährlich." Die Angst vor Repressionen sei groß gewesen. Einmal hätten Mitarbeiter des Schlosses den Gastwirt nebenan besucht: "Im Rausch haben sie erzählt und geflennt. Mein Gott, so ein Dirndl hab ich wieder hineinschieben müssen, hat einer gesagt. Auf einmal sind sie nicht mehr gekommen", sagt Stoiber.

Wenig später musste aus jedem Haus im Ort jemand zu einem Treffen kommen. "Da hat es geheißen, es werden alte Sachen und Gerümpel vom Dachboden verbrannt. Und dass keiner Gerüchte erzählen soll", sagt die Alkovnerin.

Nur wenige wagten Widerstand – zum Beispiel Stoibers Nachbar Ignaz Schuhmann und der Gaifahrer ihrer Eltern, Leopold Hilgarth. Sie druckten Flugblätter und malten Nazi-feindliche Sprüche an Gebäude. "Die alte Frau Schuhmann ist oft zu uns gekommen und hat sich ausgeweint, was mit dem Ignaz werden soll", erzählt Stoiber. Schuhmann und Hilgart wurden verhaftet und 1945 hingerichtet.

Dokumentation Lebensspuren

Das Interview, das diesem Artikel zugrunde liegt, haben Thomas Hackl und Martina Hechenberger geführt: Die beiden arbeiten derzeit an der Dokumentation „Lebensspuren“, die2025 in ORF III zu sehen sein wird. Sie erzählen anhand der Biografien von Opfern und Tätern die Geschichte der Tötungsanstalt im Schloss Hartheim. Neben Erinnerungen
von Zeitzeugen stützen sie sich dabei auf Dokumente oder Erzählungen von Angehörigen. Informationen dazu können beim Gedenkort Schloss Hartheim bekannt gegeben werden.

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Autor
Valentin Bayer
Redakteur Oberösterreich
Valentin Bayer

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8  Kommentare
8  Kommentare
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( Kommentare)
am 02.10.2024 19:04

Alles wurde mit "langer Hand" vorbereitet....... Laut schrien sie, sehr laut! Gibt es nicht einige weltweit, die auch so laut schreien?

Zeitzeugen berichten:

Die nationalsozialistische Diktatur duldete keine Gegenstimmen. Wer als Gegner des Regimes galt, wurde verfolgt, in Konzentrationslagern festgehalten oder gar ermordet.
-
"Man kann die Moral auch in jede beliebige Richtung verdrehen!"
Als Hitler kam, war Deutschland und Österreich eigentlich die am weitesten entwickelten Länder, dennoch haben Hitler und sein Regime die Gesellschaft umgekrempelt und sie zu neuen Prinzipien geführt, die er/sie dem Volk eingepflanzt und es in einen Zustand gebracht hat/haben, in dem diese Staaten zu den primitivsten Staaten wurden.
-
Und wie sieht die Moral der Regierungen in der heutigen Welt aus? - Korruption, Unterdrückung, geduldete Steuerhinterziehung und Steueroasen, Ausbeutung unserer Natur und der Tiere, und viele Menschen leiden darunter!

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kmal (1.910 Kommentare)
am 01.10.2024 21:15

Ist nicht die FPÖ die Nachfolgepartei der Nazis? Frage nur für einen Freund.

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lester (11.690 Kommentare)
am 01.10.2024 14:40

Und dann gibt es in Österreich eine Partei deren Mitglieder das SS - Treuelied singen. Pfui Teufel.

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Floh1982 (2.460 Kommentare)
am 01.10.2024 13:16

Leider leben heute nur noch wenige Menschen, die ihren Enkelkindern über die Schrecken des Nationalsozialismus erzählen können. Dadurch verschwindet dieses Thema immer mehr aus den Köpfen der Menschen. Hassredner werden plötzlich wieder als große Retter gesehen. Das führt dann zu Wahlergebnissen wie am letzten Sonntag. Gewisse Vorgänge in der Geschichte wiederholen sich periodisch, weil die Menschen nicht klüger werden!

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kmal (1.910 Kommentare)
am 01.10.2024 21:15

Leider, siehe Sonntag.

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Leviathan (410 Kommentare)
am 01.10.2024 13:07

NIE WIEDER!! Jetzt erst recht!! ✊🏻

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kmal (1.910 Kommentare)
am 01.10.2024 21:14

Bei 28 % der Österreicher bin ich mir da nicht so sicher.

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tradiwaberl (16.019 Kommentare)
am 01.10.2024 12:33

Begonnen hat auch damals alles nur mit der Forderung nach einer Remigration (siehe "Madagaskarplan").

Wohin es geführt hat, können wir jetzt in den dunkelsten Seite der Geschichtsbücher nachlesen !

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