Seifriedsberger mit neuem Höhenflug: "Es ist ein schönes Gefühl"
PATTIGHAM / SCHILDORN. Vor dem Saisonfinish ist die Innviertler Skispringerin so stark wie seit Jahren nicht mehr
Im zarten Alter von 13 Jahren feierte Skispringerin Jacqueline Seifriedsberger aus Schildorn im Continental-Cup ihr Debüt. Nach schweren Verletzungen kämpfte sich die nun 33-Jährige immer wieder zurück. Seit ihrem Sieg bei den European Games im Sommer 2023 zählt Seifriedsberger wieder zur absoluten Weltspitze. Am 3. Februar siegte die Innviertlerin auf den Tag genau elf Jahre nach ihrem ersten Weltcupsieg in Willingen. Zuletzt holte Seifriedsberger, die seit Mai 2023 in Pattigham wohnt, bei Weltcupspringen in Hinzenbach einen zweiten und dritten Platz. Am Freitag sprang Seifriedsberger in Lahti auf den zweiten Platz.
OÖN: Sie erleben gerade einen sportlichen Höhenflug. Wie waren die vergangenen Monate für Sie?
Jacqueline Seifriedsberger: Es ist ein schönes Gefühl, wenn man sieht, dass sich die harte Arbeit in den vielen Trainingseinheiten lohnt. Jetzt weiß ich wieder, dass die Abläufe funktionieren. Es gab schon Phasen, in denen ich gezweifelt habe, ob es noch einmal für ganz vorne reicht. Mit dem Trainerwechsel und den ersten Erfolgen im Sommer habe ich gemerkt, dass es bergauf geht.
War der Erfolg bei den Europaspielen im Sommer also so etwas wie ein "Aha-Effekt"?
Das kann man so sagen. Wir haben vorher beim Material einige Umstellungen gemacht. Auch die Regeländerungen von der FIS in Sachen maximale Standhöhe sind mir entgegengekommen. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass es dann bei den Europaspielen für den Sieg reicht. Generell macht es mir derzeit viel Spaß, wir haben frischen Wind in der Mannschaft, ich fahre wieder gerne zu den Springen, egal wohin.
Hand aufs Herz: Sie haben am 3. Februar in Willingen genau elf Jahre nach Ihrem ersten Weltcupsieg Ihr zweites Einzelspringen gewonnen. Waren Sie überrascht?
Unser Trainer hat zu mir gesagt, dass ich im Laufe dieser Saison sicher einmal ganz oben auf dem Podest stehen werde. Dass es genau in Willingen passiert, damit habe ich nicht gerechnet, weil ich mit der Schanze in der Vergangenheit so meine Probleme hatte. Umso größer war die Freude.
Sie sind als Führende in den zweiten Durchgang gegangen. Wie nervös waren Sie?
Schon einigermaßen. In Oberstdorf bin ich am 1. Jänner auch als Führende des ersten Durchgangs gestartet, letztendlich hat es "nur" zum dritten Platz gereicht. Das wollte ich in Willingen vermeiden, zum Glück ist es mir gelungen.
Wie hat sich dieser Sieg für Sie angefühlt?
Es waren bange Sekunden, weil ich nicht wusste, welche Haltungsnoten ich bekomme. Für mich haben sich diese Momente wie eine Ewigkeit angefühlt. Als dann der Einser auf der Anzeigetafel erschien, war es ein großer Befreiungsschlag.
2020 haben Sie sich bei einem Sturz in Lillehammer einen Kreuzbandriss und Meniskusriss zugezogen. Ein Jahr später wurde erneut ein Meniskusriss diagnostiziert. Bei Olympia 2022 fehlten Sie aufgrund einer Covid-Infektion. Haben Sie in dieser Zeit ans Aufhören gedacht?
Nicht direkt, aber hin und wieder habe ich mir schon die Frage gestellt, warum ich mir das antue. Aber konkrete Rücktrittsgedanken hatte ich nicht. Für mich war klar, dass ich sicher nicht mit einem Kreuzbandriss aufhören werde. Das mit der Corona-Infektion bei Olympia war natürlich Pech. Vor dieser Saison habe ich mir gesagt, dass ich es noch einmal probiere und dann entscheide, wie es weitergeht. Ich bin wirklich glücklich, dass ich noch einmal so einen Höhenflug erleben darf.
Sie sind derzeit im Gesamtweltcup Sechste. Am Freitag geht es in Lahti (Finnland) weiter, es folgen Springen in Oslo und Trondheim sowie zwei Skifliegen in Vikersund. Der Saisonabschluss findet in Planica statt. Mit welchen Zielen gehen Sie in den letzten Monat der Saison?
Ich möchte an meine zuletzt gezeigten Leistungen anschließen. Ich traue mir sicher noch den einen oder anderen weiteren Platz am Podium zu. Grundsätzlich bin ich mit jedem Top-zehn-Ergebnis zufrieden. Vielleicht kann ich mich im Gesamtweltcup noch um den einen oder anderen Platz verbessern.
Wie sehen Ihre mittelfristigen sportlichen Pläne aus?
Ich weiß nicht, ob ich diese Antwort auch vor einem Jahr so gegeben hätte, aber nach dieser Saison habe ich neben guten Ergebnissen im Weltcup schon noch zwei Höhepunkte im Auge: die WM 2025 in Trondheim und Olympia 2026 in Italien. Aber ich will den Blick gar nicht zu weit nach vorne richten. Wichtig ist, dass ich verletzungsfrei bleibe, Spaß am Skispringen habe und die Leistungen passen.
Sie haben im Continental-Cup vor mittlerweile fast 20 Jahren im Alter von zarten 13 Jahren Ihr Debüt gefeiert. Nach 20 Jahren Leistungssport: Würden Sie sich wieder dafür entscheiden, und wie schafft man es, sich immer wieder aufs Neue zu motivieren?
Ich bereue nichts, sonst wäre ich nach dieser langen Zeit auch nicht mehr dabei. In schwierigeren Zeiten habe ich mich an früher erinnert, wie ich als kleines Kind riesengroßen Spaß am Skispringen hatte. Ich bin froh, dass sich meine Hartnäckigkeit und mein Ehrgeiz gelohnt haben, weil vor einem Jahr waren Podestplätze für mich eher nur schwer vorstellbar.
Wie gut kann man vom Damen-Skispringen leben?
Zum Vergleich: Der Sieger eines Herrenspringens erhält 13.000 Euro, wir Frauen 4300 Euro. Ohne das Österreichische Bundesheer (Seifriedsberger ist Heeressportlerin, Anm. d. Red.), die Sporthilfe und Sponsoren wie meinen Kopfsponsor "World4You" könnte ich den Sport wohl nicht professionell betreiben.
Haben Sie schon konkrete Pläne für die Zeit nach der sportlichen Karriere?
Mit dieser Frage bin ich öfter konfrontiert. Ich habe vergangenes Jahr mit der Skisprung-Trainerausbildung begonnen. Ich kann mir grundsätzlich vorstellen, in diesem Bereich nach meiner Karriere zu arbeiten. Konkrete Pläne habe ich derzeit noch nicht. So lange ich noch springe, möchte ich mich voll und ganz drauf konzentrieren.