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14.250 Euro für 582 Tage in U-Haft: Für Freigesprochenen zu wenig

Von nachrichten.at/apa, 10. Jänner 2024, 07:05 Uhr
Jeder zweite jugendliche Häftling war schon Opfer von Gewalt im Gefängnis
Symbolbild. Bild: VOLKER WEIHBOLD

WIEN. Der Mann saß 20 Monate unschuldig im Gefängnis.

Die Regierung hat sich Ende 2023 darauf geeinigt, dass das Justiz-Budget für Verteidigerkostenersatz bei Freisprüchen in Strafverfahren bzw. Verfahrenseinstellungen auf 70 Mio. Euro erhöht wird. Der Fall eines 64-Jährigen zeigt, dass es darüber hinaus eine angemessene Haftentschädigung bräuchte. 582 Tage verbrachte der Mann in U-Haft, um am Ende rechtskräftig vom Betrugsverdacht freigesprochen zu werden. Dafür bietet die Republik eine Wiedergutmachung in Höhe von 14.250 Euro.

Für Michael Dohr, den Rechtsvertreter des Betroffenen, ist das Angebot der Finanzprokuratur "ein gutes Beispiel, wie die Republik Unschuldige nicht nur nicht rehabilitiert, sondern sogar mit Füßen tritt", wie er im Gespräch mit der APA darlegt. Sein Mandant wurde am 12. Februar 2017 in U-Haft genommen, weil er als Betreiber mehrerer Kindergärten in Wien des Förderbetrugs verdächtigt wurde. Am 17. September 2018 wurde er enthaftet, im Mai 2023 schließlich von sämtlichen Vorwürfen rechtskräftig freigesprochen. "Er ist somit 20 Monate unschuldig im Gefängnis gesessen. Er hatte darüber hinaus einen namhaften Verdienstentgang sowie Anwaltskosten vor der Hauptverhandlung. Außerdem hat er einen schweren Schlaganfall in einer Verhandlung erlitten und war daher auch in Rekonvaleszenz", hält Dohr fest.

 "Ein Schlag ins Gesicht für jeden rechtschaffenen Bürger"

Dass die Republik Österreich "für die Quasi-Vernichtung seiner Existenz" nun knapp 24,5 Euro pro Hafttag als Entschädigung bietet, sei "ein Schlag ins Gesicht für jeden rechtschaffenen Bürger". Für die Schließung seiner Kindergarten-Vereine, in die der Mann eigenes Vermögen eingebracht habe, sei sein Mandant gar nicht entschädigt worden, Verdienstentgang aufgrund der U-Haft sei ihm nicht zugestanden worden.

Wer in Haft genommen wird und in weiterer Folge überhaupt nicht angeklagt oder am Ende freigesprochen wird, kann hierzulande nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz derzeit mit einer Wiedergutmachung von 20 bis 50 Euro für jeden einzelnen im Gefängnis verbrachten Tag rechnen. In Deutschland sind dagegen für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung 75 Euro vorgesehen. Auch andere EU-Staaten haben höhere Entschädigungssätze, wenn jemand nachgewiesenermaßen zu Unrecht im Gefängnis landet.

"Wirtschaftliche Existenz genommen"

Zuletzt hat Dohr einen 48-Jährigen Mann vertreten, der wegen angeblicher Beteiligung an einem Mordkomplott 18 Monate in U-Haft verbrachte und zwischenzeitlich sogar zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, ehe sich am Ende seine Schuldlosigkeit herausstellte und er rechtskräftig freigesprochen wurde. "Ihm wurde seine wirtschaftliche Existenz genommen", sagte Dohr dazu gegenüber der APA. Dafür habe die Republik den Betroffenen entsprechend zu entschädigen "und in dieselbe wirtschaftliche Situation zu versetzen, in der er sich befunden hat, bevor er in Haft genommen wurde".

Dass der Verteidigerkostenersatz in vielen Fällen nicht die tatsächlichen Kosten der anwaltlichen Vertretung abdeckt, ist seit langem bekannt. Namhafte Anwälte und die Rechtsanwaltskammer haben seit Jahren darauf hingewiesen und eine Gesetzesänderung verlangt. Der im Mordverfahren freigesprochene 48-Jährige kann maximal mit der Erstattung von 10.000 Euro rechnen, was nicht annähernd die Kosten seiner Verteidigung trägt, die unter anderem zwei mehrtägige Hauptverhandlungen vor einem Schwurgericht umfasst hat. Dasselbe gilt für den 64-jährigen ehemaligen Kindergarten-Betreiber, dem die Finanzprokuratur für die anwaltliche Vertretung in einem insgesamt siebenjährigen Verfahren einen Betrag von 3.714,06 Euro bietet. "Eine lachhafte Summe. Das ist ein Hohn", wie sein Anwalt betont.

"Freisprüche und Einstellungen von Strafverfahren konnten nach bisheriger Rechtslage mit teils erheblichen finanziellen Belastungen für die Betroffenen verbunden sein", räumt Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zum Thema Verteidigerkosten in einer von der APA erbetenen Stellungnahme ein. Genau deshalb erhöhe man jetzt den Verteidigerkostenersatz: "Konkret werden die dafür vorgesehenen Mittel 2024 mehr als verdreißigfacht. Ich freue mich, dass wir damit eine langjährige Forderung der Grünen, die wir auch ins Regierungsprogramm hineinverhandelt haben, umsetzen konnten. Besonders wichtig war mir dabei, dass es künftig auch erstmals einen Beitrag zu den Verteidigerkosten bei Einstellungen geben wird. Dieses neue Gesetz bedeutet eine echte Verbesserung für alle Betroffenen und ist ein Erfolg für unseren Rechtsstaat."

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6  Kommentare
6  Kommentare
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filibustern (662 Kommentare)
am 10.01.2024 08:57

Egal wie man es dreht und wendet - das ist eine Sauerei. Und das betrifft nicht nur die ermittelnden Behörden und die Justiz, sondern in erster Linie jene Kontrollinstanzen, die über die Jahre hinweg für die Überprüfung der Finanzgebarung des Kindergartenbetreibers zuständig waren. Freunde, man kann ein Unternehmen ganz gut kontrollieren - klappt ja beim kleinen Steuerzahler auch. Von der Länge der U-Haft rede ich jetzt gar nicht. Wenn man bedenkt, was alles auf freiem Fuß herumläuft, und sich mutmaßlich schlimmster Vergehen schuldig gemacht hat, könnte einem schlecht werden. Jedenfalls haben die verantwortlichen Behörden hier eine Existenz ruiniert und sollten die nötigen Konsequenzen gefälligst tragen und den armen Mann nicht mit einem Almosen abspeisen.

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betterthantherest (35.438 Kommentare)
am 10.01.2024 08:21

bitte die Frau Justizminister Zadic (GRÜNE) nicht mit solchen Kleinigkeiten belasten.

Es doch viel wichtiger dass endlich ein weiblich formuliertes Gesetz beschlossen wurde!

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kpader (11.506 Kommentare)
am 10.01.2024 07:41

Unglaublich wie abgehoben unser Staat ist.

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2good4U (18.430 Kommentare)
am 10.01.2024 07:19

Absolut unverständlich.
Pro Tag muss es eine angemessene Entschädigung geben, ein realistisches, entgangenes Einkommen sowie sämtliche SV Beiträge.

Alles unter 200€ pro Tag ist eine Frechheit.
Und sogar dass ist noch wenig.

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betterthantherest (35.438 Kommentare)
am 10.01.2024 08:22

2Good4u

die türkis-GRÜNE Bundesregierung weiß seit langem, dass dieses Thema offen ist.

Ganz offensichtlich sind sowohl der Sozialminister Rauch (GRÜNE) wie auch die Frau Justizminister Zadic (GRÜNE) der Ansicht, dass die Entschädigungsbeträge angemessen sind. Ansonsten hätten Sie ja längst ein neues Gesetz eingebracht.

Wahltag ist Zahltag.

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silkro (1.272 Kommentare)
am 10.01.2024 08:42

Das fordern die Grünen seit Jahren. Wird von der ÖVP blockiert, vorher wurde es von FPÖVP blockiert.

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