Terrorprozess in Wien: 16-Jährige stellte Stofftaschen mit IS-Logo her
WIEN. Am Wiener Landesgericht ist am Dienstag gegen eine 16-jährige Muslima und separat gegen ihren Ex-Freund verhandelt worden, die laut Anklage das Gedankengut der radikalislamischen Terror-Miliz "Islamischer Staat"(IS) vertreten und verbreitet haben sollen.
Die Jugendliche hatte in Eigenproduktion Stofftaschen mit dem IS-Logo hergestellt. "Sie hat sie in Vollverschleierung am Praterstern ausgeführt und wurde deswegen von der Polizei angehalten", berichtete der Staatsanwalt.
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Die geständige Angeklagte wurde wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) und krimineller Organisation (§278a StGB) zu 15 Monaten Haft verurteilt. Sie akzeptierte die Strafe, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.
Einschlägige Daten
Bei der Auswertung des Handys der Angeklagten waren die Ermittler vom Verfassungsschutz auf eine Fülle einschlägiger Dateien gestoßen, die ihre radikal-religiöse Gesinnung belegten. Thematisch widmete sich die Jugendliche vor allem dem Jihad und dem Märtyrertum, wobei sie via TikTok und WhatsApp Predigten des deutschen Salafisten Denis Mamadou Gerhard Cuspert, ein Hinrichtungsvideo des IS und eine Sammlung mit den Jihad verherrlichenden Nasheeds (Kampfgesänge, Anm.) verbreitete. Obwohl gegen die beim AMS als Arbeit suchende Gemeldete bereits Anklage erhoben worden war, betätigte sie sich ab Juni 2024 bis weit in den August hinein erneut als Propagandistin der Terror-Miliz, wobei sie sich laut Anklage dafür zweier Telegram-Accounts bediente. "Sie hat für alle einsehbar zwei Videos mit Bezug zum Jihad geteilt", sagte der Staatsanwalt.
Am Handy abgespeichert waren auch Dateien heimischer IS-Größen, darunter Material des rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilten Hasspredigers Mirsad O. alias Ebu Tejma, des in Syrien gefallenen IS-Kämpfers Mohamed Mahmoud, der sich beim Töten von IS-Geiseln filmen hatte lassen, und des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 in der Innenstadt im Namen des IS vier Menschen getötet hatte, ehe er von der Polizei erschossen wurde.
"Das traumatische Ereignis hat sie aus der Bahn geworfen"
Die Angeklagte, die zur Verhandlung mit Kopftuch und einem bis zur Taille reichenden Schleier erschien, legte vor einem Schöffensenat ein Geständnis ab. Ihre Verteidigerin betonte, sie stamme "aus einer urösterreichischen Familie", sei in Niederösterreich geboren und habe keinen Bezug zum Islam gehabt, ehe sie konvertierte. Mitausschlaggebend dafür dürften Missbrauchshandlungen gewesen sein, die der Angeklagten im Alter von zwölf Jahren angetan wurden. "Das traumatische Ereignis hat sie aus der Bahn geworfen. Sie hat sich dem Islam zugewandt, wo man sich verhüllen, sich schützen kann", erläuterte die Verteidigerin.
Die Rechtsvertreterin wies weiters auf eine intellektuelle Minderbegabung der 16-Jährigen hin. Diese weise einen IQ von 65 auf, habe eine Sonderschule absolviert und sei "leicht beeinflussbar". Sie habe sich "von falschen Leuten" leiten lassen: "Die Frage ist, wie man sie aus der Sekte (gemeint: der IS, Anm.) herausholt." Inzwischen sei die Angeklagte über WhatsApp "nur mehr mit ihrer Mutter und der MA 11 verbunden".
"Ich war sehr naiv", hielt die 16-Jährige in ihrer Einvernahme fest. Auf die Frage, wie sie auf die Idee gekommen sei, mit einer Tasche mit dem IS-Logo spazieren zu gehen, erwiderte sie: "Ich dachte, es wird eh nix passieren."
Gleichzeitig Verhandlung gegen Ex-Freund
Zeitgleich wurde am Landesgericht einen Stock höher gegen den Ex-Freund der 16-Jährigen verhandelt, dem ebenfalls terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation angelastet wurde. Der 19-Jährige soll ab 2022 IS-Propagandamaterial veröffentlicht und sogar versucht haben, einen tschetschenisch stämmigen Bekannten dazu zu bewegen, mit ihm nach Syrien zu reisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Im Oktober 2023 soll er sich mit seiner damaligen Freundin nach Frankfurt begeben haben, wo er zwei Bekannte traf, die sich in weiterer Folge auf den Weg nach Syrien machten. Das habe ursprünglich auch der 19-Jährige im Sinn gehabt, betonte die Staatsanwältin: "Er hat es dann aber mit der Angst zu tun bekommen und sich von seinem Vater abholen lassen."
Das Zimmer des bei seinem Vater gemeldeten 19-Jährigen sei mit IS-Flaggen ausstaffiert gewesen, schilderte die Anklagevertreterin. Die Staatsanwaltschaft hatte im Vorfeld den jungen Mann psychiatrisch begutachten lassen, zumal dieser aus psychischen Gründen "in Frühpension" sei, wie die Staatsanwältin darlegte. Das Gutachten ergab, dass der Angeklagte eine massive Angststörung aufweist, an ADHS leidet und einen IQ von 81 besitzt. Der Sachverständige stufte den Mann als zwar zurechnungsfähig und damit schuldfähig ein, betonte jedoch dessen herabgesetzte Dispositionsfähigkeit.
"Sie wollte, dass ich das aufhänge"
Der 19-Jährige bekannte sich "nicht schuldig" und behauptete, er habe mit dem IS nie etwas am Hut gehabt. Er habe nur seiner Ex-Freundin gefallen wollen. "Sie war meine erste Freundin. Sie hat gesagt, dass sie konvertiert ist. Ich kenne mich nicht so gut aus. Ich wollte sie beeindrucken, dass ich mit ihr in eine Beziehung gehen kann", schluchzte der 19-Jährige. Immer wieder ereilte ihn während seiner Beschuldigteneinvernahme eine Art Heulkrampf: "Sie hat mir Komplimente gemacht. Ich hab' mir einen Bart wachsen lassen, weil sie das passend gefunden hat. Ich hab' mich geschmeichelt gefühlt." Ihr zuliebe habe er auch sein Zimmer mit IS-Flaggen ausgestattet: "Sie wollte, dass ich das aufhänge."
Der Verteidiger des Burschen behauptete, den verfahrensgegenständlichen Account, über den die IS-Propaganda verbreitet wurde, habe nicht sein Mandant genutzt. Er habe diesen der 16-Jährigen zur Verfügung gestellt. Nach Frankfurt sei er nicht aus religiös-islamistischen Gründen gefahren. Er habe dort Bekannte besuchen wollen, die er übers Online-Gaming kennengelernt hätte.
"Sie war streng religiös"
"Sie war streng religiös", beschrieb der Verteidiger die Ex-Freundin des 19-Jährigen. Dieser habe während der Beziehung eigentlich fortgehen und in Clubs tanzen wollen. Das habe sie nicht erlaubt: "Sie hat gesagt, er soll sich mehr mit der Religion beschäftigen." Er habe sich gefügt: "Er wollte seine Freundin nicht verlieren." Es handle sich "eigentlich um eine Liebesgeschichte, die nicht gut ausgegangen ist", behauptete der Anwalt.
Die 16-Jährige entlastete nach ihrer eigenen Verhandlung als Zeugin unter Wahrheitspflicht ihren Ex-Freund. Sie habe Beiträge geschrieben bzw. geteilt, die seitens der Angeklagte ihm angekreidet würden, gab sie an. Die Verhandlung gegen den 19-Jährigen wurde danach zur Einvernahme eines weiteren Zeugen auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Angeklagte wurde allerdings nach dreimonatiger U-Haft wieder auf freien Fuß gesetzt.
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