Spanien macht aktive Sterbehilfe straffrei
MADRID/WIEN. Bereits in der kommenden Woche will das spanische Parlament das Strafgesetz ändern, in dem das Herbeiführen des Todes oder die Mitwirkung daran bisher unter Strafe steht.
Nicht nur in Österreich führt die Legalisierung der Sterbehilfe derzeit zu hitzigen Debatten. In der kommenden Woche soll in Spanien aktive Sterbehilfe straffrei werden. Damit würde das Land nach den Niederlanden, Belgien und Luxemburg zum vierten Staat in Europa werden, das aktive Sterbehilfe entkriminalisiert.
Die links-sozialistische Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez kann sich bei der Gesetzesinitiative auf fast alle Regionalparteien sowie die liberalen Ciudadanos stützen und verfügt damit in der kommenden Woche über eine ausreichende Mehrheit. Nur die konservative Volkspartei PP sowie die rechtspopulistische Vox-Partei werden gegen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe stimmen.
Empörung über "verdächtig beschleunigte Art"
Der am Freitag vorgestellte Plan über die geplante Legalisierung der Euthanasie führt unterdessen zu großer Empörung in der katholischen Kirche sowie der Opposition. Die spanische Bischofskonferenz kritisierte am Freitag vehement vor allem die "Express"-Einführung der aktiven Sterbehilfe in Spanien. In einem offenen Brief prangerten die Bischöfe die nahezu "verdächtig beschleunigte Art und Weise" an, mit der das neue Gesetz zur Legalisierung der Euthanasie "in Zeiten der Pandemie und des Alarmzustands" und "ohne öffentlichen Dialog" geplant wurde. "Es ist ein Skandal, dass über dieses Gesetz ohne gesellschaftliche Debatte entschieden wird, unter Ausnutzung des Lockdowns und wenn Tausende älterer Menschen wegen Covid-19 gestorben sind", kritisierte auch der PP-Europaabgeordnete Jaime Mayor Oreja.
Spaniens Bischöfe vermissen zudem, die Chance auf "jegliche öffentliche Debatten". In ihrem offenen Brief versichern sie, dass die Pandemie "das Bewusstsein geschärft hat, dass das Ende des Lebens nicht die Lösung sein kann, um ein menschliches Problem anzugehen". Das Gesetz würde das Ziel des Staates, "die Verteidigung des Lebens", untergraben und einen "moralischen Bruch" provozieren, der vor allem die spanische Ärzteschaft belasten werde, die aufgerufen sei, zu heilen und oder zumindest zu lindern und "niemals absichtlich den Tod zu verursachen". So fordern die spanischen Bischöfe die Parlamentarier auf, kommende Woche gegen die Gesetzesinitiative zu stimmen.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte am Freitag die Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord gekippt, mit Wirksamkeit 1. Jänner 2022. Der Straftatbestand der "Hilfeleistung zum Selbstmord" verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, befand der VfGH. Tötung auf Verlangen bleibt dagegen in Österreich weiterhin strafbar. Die Tür zur Sterbehilfe steht damit nun auch in Österreich einen Spalt offen.
Auch die katholische Kirche in Österreich reagierte mit "Bestürzung" auf die VfGH-Entscheidung. Das Urteil sei ein Kulturbruch und gefährde die Solidarität, kritisierte der Vorsitzender der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner.