Weiterhin keine Spur von im Niger entführter Wienerin
WIEN. Nach wie vor gibt es keine Spur von der im Niger entführten Österreicherin und keinen Anhaltspunkt, wer sie verschleppt haben könnte.
So hieß es am Montag aus Kreisen der Familie in einem Telefongespräch mit der APA. "Die Ruhe ist ein bisschen erschreckend", sagte das Familienmitglied, das nicht namentlich genannt werden will. Im Außenministerium in Wien wurde am Montag ein Krisenstab eingerichtet.
Der Krisenstab koordiniere die Maßnahmen zur Lösung des Falles, hieß es am Nachmittag aus dem Ministerium. "Bislang liegen uns keine Informationen über die Entführer vor. Vor Ort läuft derzeit eine Suchaktion der lokalen Behörden."
Bemühungen auf mehreren Ebenen
Eine Vertreterin der österreichischen Botschaft in Algier, die auch für den Niger zuständig ist, sei auf dem Weg in den Niger, verlautete aus dem Außenamt weiter. Zudem habe die Botschaft dem nigrischen Außenministerium ein Schreiben übermittelt, in dem um Unterstützung ersucht wird. Weiterhin gebe es laufend einen Austausch mit den im Niger vertretenen EU-Mitgliedstaaten, vor allem Deutschland, und der EU-Delegation in der Hauptstadt Niamey. Auch mit regionalen Behörden im Niger ist das Außenamt in Kontakt. Darunter ist der Gouverneur der Region Agadez, wo sich die Entführung zugetragen hat. Das nördliche Wüstengebiet Agadez nimmt die Hälfte der Fläche des Niger ein,
Den Hergang der Entführung beschrieb das Familienmitglied als "dilettantisch", er deute nicht darauf hin, dass "Super-Salafisten eingefallen sind". Den Informationen des Angehörigen zufolge waren es fünf großgewachsene, circa 30 Jahre alte Männer, die sich Zutritt zum Haus seiner 73-jährigen Mutter in Agadez verschafften. Dabei sei es zu einer Rangelei mit dem Wachmann des Hauses gekommen. Dabei löste sich ein Schuss aus einer Pistole, die die Entführer bei sich hatten. Der Schuss habe angeblich einen Kidnapper am Bein verletzt. Die Wienerin wurde dann ohne größere Gewaltanwendung in ein Auto gezwungen und weggebracht.
Die Entführung habe "nicht sehr professionell" gewirkt. "Wir wissen auch nicht, ob die Kidnapper wissen, wen sie entführt haben." Das lasse einerseits hoffen, dass es sich nicht um islamistischen Terrorristen handelt. Andererseits sei dadurch zu befürchten, dass die Entführer unbedacht handeln könnten. Dass die fünf Männer Turbane trugen und Hausa - neben der Amtssprache Französisch die meistgesprochene Sprache im Niger - sprachen, sei nicht weiter auffällig und lasse keine Rückschlüsse zu. "Vieles ist Spekulation, wir wissen null", hieß es gegenüber der APA aus der Familie.
Hoffen auf Hinweise
Die 73-Jährige ist seit 1996 mit dem von ihr gegründeten privaten Kulturverein Amanay im Niger aktiv und in Agadez am Rande der Sahara sehr gut vernetzt, auch mit den Behörden. Nach Angaben auf Facebook engagiert sie sich für die Bildung junger Menschen, etwa in Bereichen wie Musik, Gesundheit, Ökologie oder Handwerklichem wie der Schneiderei. 2010 baute sei dafür ein eigenes Kompetenzzentrum. Ihr gehe es um die Begegnung zwischen Kulturen, Religionen und Menschen, so das Familienmitglied. Sie sei sehr beliebt in der Region: "Alle sind betroffen." Die Frau hält sich jedes Jahr von September bis April im Land auf.
Eine Welle der Solidarität sei nach der Nachricht von der Entführung durch die Presse und die Bevölkerung gegangen. Es seien viele potenzielle Zeugen von der Gendarmerie befragt worden. Man setze jetzt auf Hinweise, mit denen die Täter, ihr Aufenthaltsort und ihre Motive ermittelt werden könnten. Den Tätern so auf die Spur gekommen, könnten dann etwa Verhandlungen über eine Freilassung begonnen werden, hofft die Familie.
"Ich weiß, dass alles unternommen wird, um an diese Informationen zu kommen", gab sich das Familienmitglied, das mit den Verhältnissen an Ort und Stelle selbst vertraut ist, zuversichtlich. Ohne Hinweise "die "Wüste zu durchkämmen macht die Sache aber schwierig". Vom österreichischen Außenministerium und von der Botschaft in Algier fühle man sich "sehr gut betreut", der Austausch funktioniere reibungslos. Am Montagnachmittag wird im Außenamt in Wien eine weitere Krisensitzung in dem Fall abgehalten.
Sicherheitslage seit Militärputsch nicht verschlechtert
Die Sicherheitslage in Agadez hat sich den Angaben zufolge seit dem Militärputsch im Niger im Juli 2023 und dem Abzug der dort stationierten französischen Soldaten nicht verschlechtert. Die 73-jährige Frau sei zudem vorsichtig und aufgrund ihrer guten Vernetzung auch gut informiert gewesen. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Entführungsfall als eine Art Nagelprobe dar, wie lückenlos die Militärregierung in der Hauptstadt Niamey die Kontrolle über das ganze Land hat.
Für den gesamten Niger gilt bereits seit fast sieben Jahren eine Reisewarnung seitens des österreichischen Außenministeriums. "Es wird vor allen Reisen nach Niger gewarnt", heißt es auf der Homepage des Ministeriums. "Österreicher:innen werden aufgefordert, Niger zu verlassen. Die Sicherheitssituation für Ausländer ist zurzeit äußerst kritisch. Anschläge und Entführungen können, auch in der Hauptstadt Niamey, jederzeit vorkommen."
Laut dem Familienmitglied wurde die nun entführte Wienerin im Jahr 2021 von einem ausländischen Geheimdienst darauf hingewiesen, dass es Entführungsdrohungen gegen sie gebe. Diese seien aber äußerst vage gewesen und die Hintergründe unklar. Die Wienerin habe sich damals entschlossen im Land zu bleiben, bewahrheitet haben sich die Warnungen dann nicht.