Der Mann, der Hitler wegbomben wollte
Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seinen Mitverschwörern ging es vor 70 Jahren darum, vor der Welt und der Geschichte ein Zeichen zu setzen. Die Chronologie ihres Scheiterns, aufgezeichnet von Klaus Buttinger.
Claus von Stauffenberg wird 1907 in eine katholische Adelsfamilie im bayrischen Schloss Jettingen hineingeboren. Nach dem Abitur entscheidet er sich für eine Militärausbildung, die er 1930 als Jahrgangsbester bei der Offiziersprüfung in Bamberg abschließt. Politisch steht der hochgebildete junge Mann den Konservativen nahe, den aufkommenden Nationalsozialismus verachtet er, obwohl er deckungsgleiche Elemente mit seiner elitären Weltanschauung findet.
Er schreibt: "Der Gedanke des Führertums … verbunden mit dem einer Volksgemeinschaft, der Grundsatz ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz‘ und der Kampf gegen die Korruption, der Kampf gegen den Geist der Großstädte, der Rassegedanke und der Wille zu einer neuen deutschbestimmten Rechtsordnung erscheinen uns gesund und zukunftsträchtig."
Stauffenberg macht schnell Karriere. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, beim Polenfeldzug, wird er in einer Panzer-Division eingesetzt. Seiner Frau schreibt er: "Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu gebrauchen, arbeitsam, willig und genügsam."
Trotz schwerer Verletzungen, die er sich bei einem Tieffliegerangriff im Frühjahr 1943 zuzieht (er verliert ein Auge und eine Hand), fühlt sich Stauffenberg durch den Treueeid an Hitler gebunden. Erst ab Herbst 1943 sucht er Kontakt zu anderen "Verschwörern" in Berlin.
Wie andere Anschläge auf Hitler – die Forschung spricht von 39 bis 42 – scheitert auch das Attentat Stauffenbergs an Zufällen. Ihm gelingt es nur einen der zwei Sprengsätze scharf zu machen. Die Besprechung findet in einer Baracke, nicht im Betonbunker statt. Ein massiver Eichentisch deckt Hitler. Allesamt Parameter, die die Explosionswirkung hemmen. Die Sprengladung detoniert um 12.42 Uhr. Vier Personen sterben, 20 Anwesende überleben, Hitler bloß mit einer leichten Verbrennung.
Der anschließende Staatsstreichversuch mit dem Tarnnamen "Walküre" krankt an schweren Mängeln in der Vorbereitung und Durchführung. Gegen 22.30 Uhr am 20. Juli 1944 verhaftet eine Gruppe regimetreuer Offiziere Stauffenberg und etliche seiner Mitverschwörer. Der Bombenleger wird gemeinsam mit Werner von Haeften, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht nach einem angeblich abgehaltenen Standgericht erschossen.
Noch Jahrzehnte nach dem Attentat hatte jeder Widerstand gegend die Nazi-Barbarei in Deutschland und Österreich einen negativen Beigeschmack, ja wurde als unpatriotisch gebrandmarkt. Erst seit der deutschen Einheit wird das Vermächtnis des Widerstands ohne ideologisches Vorurteil gewürdigt.
TV-Tipps: Mo., 21. Juli, 16.40 Uhr Oliver Halmburgers "Universum History"-Dokumentation "Stauffenberg – Die wahre Geschichte" Do., 24. Juli, 21.25 Uhr: Jo Baiers Historiendrama "Stauffenberg – 20. Juli 1944", beide ORF III
Der österreichische Arm des Widerstands
Robert Bernardis war der höchstrangige österreichische „Verschwörer“ – sein Sohn lebt in Leonding
Oberstleutnant des Generalstabes Robert Bernardis gilt als der höchstrangige österreichische Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er war einer der wenigen österreichischen Offiziere, die eine Schlüsselrolle bei dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 und dem damit verbundenen Umsturzversuch innehatten. Dafür bezahlte er am 8. August 1944 mit seinem Leben.
In Linz, Enns und Klosterneuburg absolvierte der gebürtige Innsbrucker Bernardis seine Offiziersausbildung. Er nahm an den Feldzügen in Polen, Frankreich, auf dem Balkan und in Russland teil. Die dortigen Gräuel dürften nach Aussagen seiner Frau Hermine ein Umdenken ausgelöst haben.
Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg war im Generalstab Bernardis’ direkter Vorgesetzter. Er schätzte den jungen österreichischen Offizier sehr, der sein Verbindungsmann zu den österreichischen Widerstandsgruppen war. Am 20. Juli gab Bernardis nach dem Attentat die Weisung „Walküre“ durch, die die Aufstandsbewegung des Ersatzheeres in die Wege leiten sollte.
Nach dem gescheiterten Umsturz war Bernardis einer der Ersten aus dem Oberkommando der Wehrmacht, die verhaftet wurden. Einen Tag vor seinem 36. Geburtstag wurde er an einem Fleischerhaken im Berliner Zuchthaus Plötzensee gehenkt. An ihn erinnert ein Denkmal vor der Ennser Kaserne.
Bernardis’ Sohn Heinz – geboren in Berlin und damals vier Jahre alt – kam mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Lore ins Umerziehungslager nach Bad Sachsa, wo alle Kinder der Juli-Attentäter landeten. Bernardis’ Witwe wurde ins Frauen-KZ Ravensbrück verschleppt.
Heinz Bernardis (74) lebt in Leonding. Der pensionierte Landesbeamte hat „fast null Erinnerung“ an seinen Vater, wie er sagt. Er erinnere sich aber an die Aussage seiner Mutter kurz nach dem Attentat: „Jetzt haben wir bald keinen Vater mehr.“ Seine Mutter, die 2009 fast hundertjährig in Linz starb, habe die Sache in der Familie immer offen besprochen.
Kurz vor Weihnachten 1944 kamen die Bernardis-Kinder und ihre Mutter frei. „Wir fanden in Linz wieder zusammen bei meiner Großmutter“, erinnert sich Heinz Bernardis.
Führerhauptruine
Nicht Gras, Wald ist über die Wolfsschanze gewachsen, das „Führerhauptquartier“ in Ketrzyns (Masuren, Polen). Dort, wo das Attentat Stauffenbergs stattfand, ist außer meterdicker, großteils gesprengter Bunkerwände nichts übrig geblieben. Dennoch besucht jährlich eine Viertelmillion Menschen den Ort, darunter ein Drittel Deutsche. Ein Wallfahrtsort für Neonazis ist er nicht geworden.