"Erster Schritt zum Weltkrieg": Nordkorea soll 10.000 Soldaten nach Russland entsandt haben
KIEW. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigt Berichte, wonach zur Zeit rund 10.000 nordkoreanische Soldaten vorbereitet würden, um auf Russlands Seite im Krieg gegen die Ukraine zu kämpfen.
Er habe entspreche Informationen seiner Geheimdienste, sagte Selenskyj am Donnerstag in Brüssel auf einer Pressekonferenz am Rande des EU-Gipfels. Einige nordkoreanische Offiziere würden sich bereits auf besetzten Gebiet in der Ukraine befinden.
Russland wolle damit Lücken in seinen Streitkräften füllen. Die öffentliche Meinung in Russland sei nämlich gegen eine Mobilisierung von jungen Russen. Nordkorea würde damit als erstes Land Russland mit Soldaten unterstützen, nach Irans Unterstützung mit Drohnen und Raketen für Russland. Dies wäre "der erste Schritt zu einem Weltkrieg".
35 Milliarden Euro von der EU
Der ukrainische Präsident kam am Donnerstag zum EU-Gipfel nach Brüssel, um bei den EU-Staats- und Regierungschefs für seinen "Siegesplan" zu werben. Für die Ukraine sei es wichtig, die zugesagten 50 Milliarden Dollar der G-7-Staaten bzw. die 35 Milliarden Euro der EU "so schnell wie möglich zu bekommen", um Lücken in der militärischen Versorgung schließen zu können, sagte Selenskyj. Außerdem forderte er dringend weitere Kapazitäten zur Luftabwehr und Langstreckenwaffen.
Für den umstrittenen Einsatz von Raketen mit langer Reichweite auf russisches Gebiet habe er separate Gespräche mit den Spitzen der USA, Frankreichs, Deutschlands und Italiens geführt, sagte er. Diese Länder sollten zunächst in dieser Frage Einigkeit unter sich herstellen. Sollte die Ukraine von den Partnern nicht die gewünschte Unterstützung für seinen "Siegesplan" bekommen, "werden wir weiterkämpfen", sagte der ukrainische Präsident.
NATO-Einladung gefordert
Selenskyj fordere in seiner Rede vor dem EU-Gipfel auch eine Einladung für die Ukraine, der NATO beizutreten. Damit würden "keine roten Linien überschritten", versicherte er. Eine solche Einladung würde vielmehr die diplomatische Position der Ukraine stärken. Der russische Präsident Wladimir Putin müsse sehen, dass seine geopolitischen Überlegungen wertlos seien. Selenskyj erinnerte daran, dass die Ukraine im Rahmen des Budapester Memorandums die Atomwaffen aus dem Bestand der Sowjetunion aufgegeben hatte. Die Garantien dieses Memorandums hätten aber nicht funktioniert. Die Ukraine habe nicht vor, sich Atomwaffen zuzulegen, sondern wäre lieber in der NATO, so Selenskyj. Darüber habe er auch mit dem US-Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, gesprochen, dieser habe seine Argumente anerkannt. Die USA und Deutschland haben bisher einen NATO-Beitritt Kiews abgelehnt. Trump gilt als Gegner der US-Militärhilfen für die Ukraine.
Seinen "Siegesplan" bezeichnete Selenskyj als "Brücke zu einem zweiten, erfolgreichen Friedensgipfel". Ein erster derartiger Friedensgipfel in der Schweiz war zwar im Juni von rund 190 Ländern, darunter Österreich, unterstützt worden, Russland ist dem Gipfel aber ferngeblieben. In jedem Fall werde die Ukraine weiter an einem zweiten Friedensgipfel arbeiten, so Selenskyj.
"Ein gefährlicher Winter"
"Der Winter kommt, und für uns ist das immer ein gefährlicher Winter", sagte er. Die Ukraine brauche insbesondere die Gelder, welche die EU aus den Erträgen des eingefrorenen russischen Vermögens bereitstellen will. "Unser Plan ist es, die Ukraine zu stärken." Dieser Plan hänge nicht von Russland ab, sondern nur vom Willen der Partner der Ukraine.
EU-Ratspräsident Charles Michel forderte "mehr militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine, es ist dringend". Die EU stehe weiter an der Seite Kiews, "so lange es dauert". Gleichzeitig müsse die EU ihre Unterstützung aber beschleunigen. Es dürfe bei diesen Botschaften keine Zweideutigkeit geben. "Die Bestimmung und die Zukunft der Ukraine sind in der EU", versicherte der Ratspräsident.
In Selenskyjs "Siegesplan" würden sich keine neuen Forderungen befinden, sondern er fordere vor allem Entscheidungen, zu denen die EU-Staaten bisher nicht fähig waren, sagte der litauische Präsident Gitanas Nauseda. "Unser Zögern trägt nicht zur Deeskalation bei, sondern führe direkt zur Eskalation. Würden wir die Ukraine unterstützen und sie die Oberhand erhalten, dann wäre Putin gezwungen, an den Verhandlungstisch zu kommen."
"Terrorakt gegen Zivilbevölkerung"
NEOS-Delegationsleiter Helmut Brandstätter sagte: "Der Ukraine steht ein besonders harter Winter bevor. Putin lässt gezielt Kraftwerke und Energieverteiler bombardieren. Das ist ein bewusster Terrorakt gegen die Zivilbevölkerung. Gleichzeitig sollen durch diese Angriffe mehr Menschen zur Flucht gezwungen werden. Aktuelle Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine, auch nach Österreich." Daher sei die Geschlossenheit der EU-Mitglieder entscheidend.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten dürften in Brüssel auch die Weichen für eine striktere Migrationspolitik der Europäischen Union stellen. In den vergangenen Wochen waren aus vielen Ländern entsprechende Forderungen gekommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte bereits im Vorfeld des Gipfels Maßnahmen für schnellere und effizientere Rückführungen an. Weitere Themen sind die Lage in Nahost, Moldau und Georgien und die Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begrüßt einen, wie er sagte, "Paradigmenwechsel" in der Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union. "Es geht jetzt in die richtige Richtung", so Nehammer.
"EU-Asylreform beschleunigen"
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz forderte zum Auftakt des EU-Gipfels eine beschleunigte Umsetzung der EU-Asylreform. Es sei ihm wichtig, dass die Vereinbarung der 27 EU-Staaten "nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert", sagte Scholz laut dpa in Brüssel. "Wir werden in Deutschland die dazu notwendigen Gesetze sehr schnell dem Deutschen Bundestag zuleiten, aber es wäre gut, wenn überall in Europa das früher eingeführt werden kann."
Ob sich die Staatsspitzen tatsächlich auf konkrete Forderungen zur Migration in der Gipfel-Abschlusserklärung einigen können, ist laut EU-Diplomaten alles andere als sicher. Einige Staaten ziehen eine "substanzielle Diskussion" vor, und würden die entsprechenden Absätze am liebsten wieder gestrichen sehen. Diskussionsbedarf gibt es auch in Hinblick auf den Konflikt im Nahen Osten. Laut Entwurf der Gipfelerklärung will die EU zur Deeskalation aufrufen und ihre Beunruhigung über die israelische Attacken auf UNO-Blauhelme im Libanon ausdrücken. Laut EU-Diplomat gibt es Staaten, die hier eine "deutliche Sprache" verwenden wollen, andere würden für eine vorsichtigere Ausdrucksweise eintreten.
- Lesen Sie auch: Asyl: Nehammer zeigt Verständnis für Polen
Der grüne Delegationsleiter Thomas Waitz sagte: "Der von Nehammer gepriesene 'Paradigmenwechsel' in der EU-Migrationspolitik ist schlichtweg ineffektiv und nicht zielführend. Abschiebe-Abkommen und Aufnahmelager in Drittstaaten sind nicht nur teuer und ineffektiv, sie sind vor allem eine Kurzschlussreaktion der Konservativen angetrieben von den Rechtsextremen." Alleingänge einzelner Mitgliedstaaten, wie Ungarn, Niederlande und Polens sieht Waitz als einen Irrweg. Die Herausforderungen wären nur durch eine solidarische Reform des Asylsystems zu lösen.
Für EU-Ratspräsident Charles Michel sollte es der letzte Gipfel sein. Die Nachfolge des Belgiers übernimmt der frühere portugiesische Regierungschef António Costa.