Allen Widerständen zum Trotz
LONDON. Fallon Sherrock gewann als erste Frau ein WM-Spiel. Ihr Weg zur Darts-Überraschung war jedoch gepflastert von Rückschlägen.
Vom Außenseiter, der schief angesehen wird, zum gefeierten Star braucht es im Sport oft nicht viel. Im Falle von Darts sind es drei Pfeile.
Fallon Sherrock war am Dienstagabend mit dem 3:2 über ihren britischen Landsmann Ted Evetts nicht nur der Einzug in die zweite Runde der Darts-WM in London gelungen. Nein, die 25-Jährige hat einen Bann gebrochen. Als erste Frau bei einer WM gegen einen Mann zu gewinnen, löste einen wahren Hype um sie aus. "Sherrock’s on fire", sangen die Tausenden Zuschauer im Alexandra Palace, der besser bekannt als "Ally Pally" ist.
Ein Umstand, der auch Mensur Suljovic Respekt einflößt. Der Wiener ist heute (22 Uhr, live auf DAZN) der nächste Gegner Sherrocks. "Das Publikum steht zu hundert Prozent auf ihrer Seite. Und bei der WM spielt das Publikum eine große Rolle", sagte der Weltranglisten-Elfte, der sich den Titel zum Ziel gesetzt hat.
Barry Hearn, Chef der Professional Darts Corporation (PDC), sprach nach Sherrocks Sieg gar von einem "Durchbruch für den Sport". Die Pionierin wurde am Tag nach ihrem Triumph durch alle Morgenshows des Landes gereicht – mit einem Mal ist sie in aller Munde.
Sohnemann als größter Fan
Es ist ein kleines Weihnachtsmärchen, das sie schreibt, musste die ehemalige Friseurin aus Milton Keynes in ihrem jungen Leben doch bereits mit einigen Tiefschlägen fertig werden. Ihr fünfjähriger Sohn Rory leidet an Autismus, weshalb Sherrock ihr WM-Preisgeld – derzeit umgerechnet 8800 Euro – an die "National Autistic Charity" spenden will.
Für das WM-Spiel seiner Mutter hatte Rory ausnahmsweise länger aufbleiben dürfen. "Er war sehr glücklich, dass er mich im Fernsehen gesehen hat und dass ich gewonnen habe", schilderte die stolze Mama, die in der Männer-Bastion Darts oft Anfeindungen ausgesetzt ist. Internettrolle tauften sie wenig schmeichelhaft "Mondgesicht". Dabei haben ihre runden Backen eine Ursache: Nur wenige Monate nach der Geburt ihres Sohne war bei Sherrock eine Nierenkrankheit diagnostiziert worden. Die Nebenwirkungen der Medikamente ließen ihr Gesicht anschwellen. Von abfälligen Äußerungen über ihr Aussehen ließ sich die Nummer zwei der Frauen-Weltrangliste aber nicht unterkriegen. "Ich befasse mich nicht mit Aussagen von Leuten, die mein Leben nicht beeinflussen", sagte sie der englischen Zeitung "Sun". "Ich denke, diese Eigenschaft half mir, meinen Charakter zu stärken."
Wegen des Hypes um ihren historischen Sieg überlegt die PDC nun sogar, die in der Vergangenheit oftmals kritisierten zwei fixen WM-Quali-Plätze für Frauen sogar aufzustocken. Sherrock selbst darf bei der World Series 2020 in New York antreten. "Ich hoffe, das war der entscheidende Moment für uns Frauen", hofft Sherrock nun auf mehr Anerkennung.
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