Todesnachricht überschattete den Auftakt im Schwimm-Prozess
WIEN. Dramatischer Beginn: Der wegen Förderbetrugs in Höhe von 335.000 Euro angeklagte Ex-Verbandsboss Schauer ist tot. Der langjährige Generalsekretär Gangel gestand.
Mit einem Todesnachricht begann gestern der Prozess im Saal 203 des Wiener Straflandesgerichts, in dem die ehemalige Spitze des Österreichischen Schwimmverbands (OSV) wegen Förderbetrugs in Höhe von 335.000 Euro angeklagt ist. Kurz nach Beginn der Verhandlung gab Richterin Patrizia Kobinger-Böhm bekannt, dass laut dessen Anwalt Ex-OSV-Präsident Paul Schauer (siehe Nachruf nebenan) am Montag verstorben sei. Später bekannte sich der langjährige Generalsekretär Thomas Gangel vollinhaltlich schuldig.
Schon vor Prozessbeginn kursierte zwischen Beteiligten das Gerücht über Schauers Tod. Kobinger-Böhm erklärte, dass ihr ein am Dienstag abgesandter Brief zugestellt worden sei. Dieser sei, wie die Richterin betonte, eine Replik Schauers auf die Vorwürfe. "Es ist aber in keiner Weise eine Art Abschiedsbrief", sagte die Juristin. Mehrere Medien spekulierten gestern unter Berufung auf Quellen aus dem privaten Umfeld Schauers mit einem Suizid.
"Gab immer enge Absprachen"
Gangel brachte mit seinen Aussagen den ebenfalls hauptangeklagten Ex-Finanzreferenten Walter Benesch, der sich teilweise schuldig bekannte, in die Bredouille. Es habe das "Problem" gegeben, dass beantragte Fördermittel oft erst im Lauf des Jahres zuerkannt worden seien und davon zu Jahresende gewisse Beträge übriggeblieben waren. Diese wurden dann nicht wie vorgeschrieben an den Fördergeber zurückbezahlt. Gangel: "Es gab immer eine enge Absprache zwischen dem Präsidenten, dem Finanzreferenten und mir, wie wir in solchen Situationen verfahren."
Der 62-Jährige gab aber an, dass er als Generalsekretär nur Anordnungen ausgeführt habe. "Jeder stand unter Druck, da laut Benesch und Schauer keine Förderungen zurückgezahlt werden sollten. So wurden wir angewiesen", erläuterte Gangel. "Ich hatte die Befürchtung, dass, wenn solche Sachen auftauchen, wir zur Rechenschaft gezogen werden." Alle Mitarbeiter hätten solche Bedenken gehabt. "Es ist aber von Benesch und Schauer erklärt worden, dass sie jeden schützen."
Nicht auf der Anklagebank
Zwei von drei mitangeklagten Ex-Büromitarbeitern des OSV bekannten sich schuldig. Der ebenfalls hauptangeklagte Wiener Landtagsabgeordnete Christian Meidlinger (SPÖ) blieb wegen einer laufenden Diversion dem Gerichtssaal fern. Als Privatbeteiligte haben sich der Klage einerseits für den Bund die Finanzprokuratur, andererseits der aktuelle OSV angeschlossen. Kobinger-Böhm ließ erkennen, dass der Prozess schon heute abgeschlossen werden könnte.
Der Gerichtsfall
Die Vorwürfe: Zwischen 2005 und 2013 soll sich die frühere Spitze des Österreichischen Schwimm-Verbands (OSV) systematisch Fördermittel in Höhe von insgesamt 335.000 Euro erschlichen haben. Auf dem Papier wurden fiktive Aufwendungen kreiert, um nicht aufgebrauchte oder widmungswidrig verwendete Subventionen nicht zurückzahlen zu müssen. Die Scheinrechnungen bezogen sich auf Aufwendungen für technische Infrastruktur und Trainer. Mehrere dazu vernommene Coaches hatten im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren jedoch versichert, sie hätten dem OSV niemals Honorarnoten gelegt. Anschuldigungen, wonach auch bei Anschaffung und Erhalt einer Traglufthalle für das Wiener Stadionbad Geld veruntreut wurde, ließen sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht erhärten.
Die handelnden Personen: Ursprünglich wurde gegen sieben Personen Anklage erhoben. Im Zentrum stehen Ex-Präsident Paul Schauer, sein Finanzreferent Walter Benesch sowie Langzeit-Generalsekretär Thomas Gangel. Mitangeklagt sind drei im OSV-Büro beschäftigte Mitarbeiter, darunter die Schwiegermutter Gangels. Darüber hinaus noch Schauers Nachfolger als Präsident, Christian Meidlinger, dem ein einmaliges Fehlverhalten zu Jahresende 2012 vorgeworfen wurde.
"Vater des Wunders"
Als „Vater des österreichischen Schwimmwunders“ ist Paul Schauer gerne bezeichnet worden. Wie gestern bekannt wurde, ist der gebürtige Wiener am Pfingstmontag aus dem Leben geschieden.
Zwischen 2004 und 2012 stand Schauer dem heimischen Schwimmverband (OSV) vor. Während seiner Ära standen Medaillen bei Großereignissen an der Tagesordnung. Allen voran die zwei Olympia-Silbernen von Markus Rogan (2004) sowie die -Bronzene von Mirna Jukic (2008). Die damit verbundene Aufmerksamkeit war Schauer, der laut Rogan leidenschaftlich gerne sang, keinesfalls ein Dorn im Auge. Im Gegenteil. „Er war eine der schillerndsten Persönlichkeiten im österreichischen Sport“, beschrieb ihn sein Volleyball-Pendant Peter Kleinmann.
Dabei hatte Schauer zunächst wenige Anknüpfungspunkte mit dem Sport. Mit Jahresbeginn 1980 begründete er die Agentur Omnimedia mit, in deren Geschäftsführung er mehr als 30 Jahre lang tätig war. „Paul war einer der wenigen, die etwas von Medien verstanden haben und in den Sport eingestiegen sind“, so Kleinmann weiter.
Bis Schauer, der 2000 das große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik erhielt, den Spitzensport als Betätigungsfeld für sich entdeckte, sollten erst einige Jahrzehnte vergehen. Über den einstigen SPÖ-Sportsprecher Arnold Grabner fand er über den Umweg Leichtathletik schließlich den Weg an die Spitze des OSV.
Sportler als Marken
Unter der Führung des Medienmannes waren Schwimmer nicht mehr nur Schwimmer – sie wurden zu Marken. Innerhalb Österreichs Sportlandschaft wurde der OSV zum Schwergewicht. Dabei half die Berufung Schauers in den Vorstand des heimischen olympischen Komitees (ÖOC). Als einziger Vize-Präsident „durchtauchte“ er dort auch den Wirbel 2009 rund um die Hinterziehungen um Ex-ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth, der dafür verurteilt wurde.
Nur wenige Jahre später begann es auch im OSV wegen mutmaßlicher Malversationen - die jetzt ein gerichtliches Nachspiel haben - zu rumoren.
Schauer zog nach zunehmenden Anfeindungen die Konsequenzen und legte sein Amt 2012 nieder. Er lebte in Scheidung und war Vater eines Sohnes, zu dem er engen Kontakt pflegte. Paul Schauer wurde 72 Jahre alt.