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Reisen, die im Kopf sind

Von Roswitha Fitzinger und Barbara Rohrhofer, 12. April 2020, 14:52 Uhr
Reisen, die im Kopf sind
Reiseträume am Donaustrand, die langsam Gestalt annehmen

Wohin würden wir fahren, wenn wir könnten? Zwei Traumreisen, die irgendwann realisiert werden

Sind die Tage trüb und grau, war es mir immer schon der liebste Stimmungsaufheller, mich auf Reisen zu begeben. Nicht die Koffer zu packen, sondern das kommende Reiseziel auf die nächste Ebene zu heben, die der Planung. Nun sind die Tage sonnendurchflutet, und ich frage mich nicht nur, wann es wohl wieder so weit sein wird, sondern auch worauf ich überhaupt Lust habe ... Die Wüste, ansonsten als Sehnsuchtsort eine sichere Bank, erscheint mir plötzlich zu leer, die Berge zu einsam. Selbst die Vorstellung nach Sand zwischen den Zehen und Salz auf meiner Haut fühlt sich nicht unbedingt verlockend an. Ich will weder meine Gedanken noch Blicke schweifen lassen, auch Ruhe hatte ich in den vergangenen Wochen mehr als genug. Vielmehr dürstet es mich nach Menschen, nach Trubel. Und noch etwas offenbart mir diese Reise ins Innere: Ich will zwar Neues kennenlernen, aber auch wissen, was mich erwartet. Eine Stadt, die ich kenne, eine mit Potenzial, eine weitere Reise wert – ja, das fühlt sich gut an.

Der Zufall kommt zu Hilfe, weil mir die Post zwei Reiseführer bringt: Ich blättere mich durch Berlin, schmökere mich durch Tel Aviv, erinnere mich an frühere Besuche und stelle fest: Da will ich hin, weil da noch jede Menge Ungesehenes und Reizvolles wartet. Aber wofür entscheiden? Beide Ziele sind spontan zu realisieren, locker, mit schier unbegrenzten kulturellen und kulinarischen Möglichkeiten ausgestattet. Der gedankliche Konkurrenzkampf endet unentschieden. Aber die Qual der Wahl ist keine, weil sich die Entscheidung noch aufschieben lässt. Corona sei Dank kann ich daheim meinen Reiseträumen nachhängen, die wider Erwarten recht bald recht konkrete Formen annehmen.

Ich sehe mich in Tel Aviv auf einem der allgegenwärtigen E-Bikes sitzend einfach drauflos radeln, will mir dieses Mal das auf den Ruinen einer byzantinischen Kirche erbaute Designhotel Market House leisten, auch weil es mitten in meinem Lieblingsviertel Old Jaffa liegt. Ich werde nicht umhinkommen, jeden Tag mit einem Strandlauf zu beginnen, der Stimmung wegen und weil ich weiß, dass man nirgendwo auf der Welt besser isst als in Tel Aviv. Ich sehe mich durch Israels erstes Design-Museum Holon schlendern, will endlich das Viertel Florentin, seine Street Art und die hippen Bars kennenlernen, wo ich dann gedenke, die Nacht zum Tag werden zu lassen.

Der Vorteil eines Zweitbesuchs ist, dass die Must-Sees bereits abgehakt sind. Wussten Sie, dass Berlin mehr Museen (mehr als 175) hat als Regentage im Jahr (100)? Das Spionagemuseum ist Pflicht bei meinem nächsten Besuch, ebenso mit dem schnellsten Aufzug Europas in das 24. Stockwerk des Panoramaturms auf die dortige Aussichtsplattform zu düsen, um von oben auf die deutsche Hauptstadt herabzuschauen. Ich möchte in der Konditorei Buchenwald, wo vor mehr als 160 Jahren der Baumkuchen erfunden wurde, mir selbigen zu einem doppelten Espresso gönnen, eines der (empfohlenen) Restaurants des deutschen Sternekochs Tim Raue ausprobieren, einen ganzen Tag lang am Wannsee oder an einem der 80 Seen im Stadtgebiet die Füße hochlegen, um dann auf einem Restaurantschiff zu dinieren. Das legendäre Kaufhaus KDW steht ebenso noch auf meiner Wunschliste, genauso wie eine Radtour nach Potsdam ... Unzählige Möglichkeiten, die Zeit dafür wird kommen.

  • Corinna von Bassewitz: "Berlin, Reisen kennt kein Alter", 132 Seiten, Verlag Callwey, 18,50 Euro;
  • Marianne von Waldenfels: "Lufthansa City Guide Tel Aviv (mit Jerusalem)", Verlag Callwey, 128 Seiten, 18,50 Euro

Italien – amore mio, ich komme wieder, sobald es geht

Es gibt Augenblicke, in denen man dieses fiese Virus einfach vergisst und sich auf Reisen begibt. Wenn der Sommer – wie in der Karwoche – nicht mehr weit ist und der Frühling ganz ohne Umschweife ins Land zieht, fliegen die Gedanken durch die milden Lüfte, vorbei an blühenden Apfelbäumen Richtung Süden – und landen in einem kleinen, steinernen Landhaus in Buttrio, einem verschlafenen Ort in der Nähe von Udine.

Artikelbilder
Bessere Zeiten: Barbara Rohrhofer auf dem Stadtplatz von Udine im Frühling 2019 Bild: privat

Dort riecht es den ganzen Tag nach Cappuccino. Und man trinkt viel davon in meinem Lieblingsurlaubsland. Den allerersten genehmige ich mir in der ersten Autobahnraststation nach der Grenze. Die Crema auf dem Kaffee schmeckt nach Sommer, nach Sand, nach Freiheit, Strand, Dolce Vita. Man fühlt sich hier stets, als wär man frisch verliebt. Alles federleicht, alles gut.

Wir bummeln durch Städte, die Udine, Cividale oder Grado heißen und so unverschämt charmant sind, dass man immer wieder herkommen möchte. Wenn man nur könnte.

Weil heuer Pause ist, wird die Sehnsucht größer. Die Gedanken reisen zu einer kleinen Bar, direkt am Strand von Grado. Die Saison ist noch gar nicht eröffnet, die Liegestühle tragen nach wie vor ihren Plastikschutz. Die Kraft der Sonne aber erinnert bereits an den Sommer, der da hoffentlich bald kommen mag. "Das Meer begrüßen" war bisher ein allzu geliebtes alljährliches Ritual: Dabei werden die winterweißen Zehen ins Salzwasser gestaucht, danach hält man die Nase so lange in die Sonne, bis sie mit Sommersprossen bedeckt ist. Dabei schleckt man das erste Eis. Stracciatella und Vanille. Und trinkt vielleicht einen kleinen Aperol Spritz? Dazu werden Nüsse und Chips serviert. Und in der Luft liegt der Duft der Unbeschwertheit, der Lebenslust.

Abends bestellt man im kleinen Ristorante Spaghetti vongole oder eine Pizza – ganz egal, es schmeckt hier alles himmlisch. Auch der Vino della casa ist ein Genuss, und man freut sich auf den nächsten Tag, an dem man durch kleine Gassen bummelt und in Boutiquen nach einer frühlingshaften Bluse Ausschau hält oder nach jenen dunkelblauen Ballerinas, die hier alle tragen. Seit ich mich erinnern kann, kauft man in Italien Schuhe.

Und seien es Flip-Flops für den Strand, weil der Sand im Sommer so heiß ist, dass man nur ungelenk hin- und herhüpfen kann bis zur nächsten Strandbar in Bibione, in der es diese wunderbar warmen Brötchen mit Prosciutto gibt.

Meine Gedanken sind längst weitergeflogen. In sitze am Strand von Caorle und baue mit meinen noch kleinen Kindern eine große Burg, danach wird Boccia gespielt oder gegrillt. Wir machen Urlaub mit einer ganzen Gruppe von lieben Freunden. Abends trinken wir Prosecco, singen italienische Lieder und lachen. So laut, bis der Wächter des Campingplatzes kommt und uns bittet, ein bisschen ruhiger zu sein.

Der Vorteil von Reisen im Kopf: Ich bin im Nu in der Toskana in Pistoia auf einem herrschaftlichen Anwesen mit roten Cotto-Steinen, wo wir mit den besten Freunden am Pool liegen und abends wunderbare Stunden erleben – unwiederbringlich.

Wann mich die Liebe zu diesem Land erwischt hat, kann ich nicht mehr genau sagen – nur eines: Sie währt offenbar ewig, und sobald es geht, komm ich wieder.

 

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1  Kommentar
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Gugelbua (33.128 Kommentare)
am 07.05.2020 18:30

„Reisen, die im Kopf sind“
mich hat immer der Name von den ABC Inseln „Curacao“ so fasziniert das ich es unbedingt sehen wollte
diese niederländische kriminelle Destination hätte ich mir sparen können😁

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