Wollte Frau ihren Gatten umbringen? Prozess findet ein drittes Mal statt
SANKT FLORIAN/RIED. Das hat es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der langen Geschichte des Rieder Landesgerichts, die bis ins Jahr 1854 zurückgeht, noch nicht gegeben. Der Prozess gegen eine 32-Jährige wegen versuchten Mordes wird ein drittes Mal im Rieder Schwurgerichtssaal stattfinden. Das hat der Oberste Gerichtshof entschieden.
Der Fall hat seit der Tat im August 2022 wiederholt Schlagzeilen gemacht. In jener Sommernacht soll die 32-Jährige ihrem damaligen Ehemann zuerst mehrere Tabletten Antidepressiva ins Gulasch gemischt haben. Später, als der Mann schlief, soll die Frau versucht haben, ihrem Mann mit einem scharfen Messer oder einer Rasierklinge den Hals aufzuschlitzen. Der Innviertler wurde munter und musste im Klinikum Passau notoperiert werden. "Das Opfer hatte riesengroßes Glück. Wäre der Schnitt nur minimal tiefer gewesen, wäre der Mann verblutet", sagte Staatsanwältin Petra Stranzinger.
Die Angeklagte gab zu Beginn die Tat zu, sagte aber, dass sie in Notwehr gehandelt habe. Beim Prozess machte sie dann ihre eigene Tochter, die zum Tatzeitpunkt 13 Jahre alt war, für die Tat verantwortlich.
Die Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner bescheinigte der Frau eine "histrionische Persönlichkeitsstörung". Sie wolle immer im Mittelpunkt stehen und gerate häufig in Konflikte. Sie pflege einen "sehr kreativen Umgang mit der Wahrheit", um ihre Zwecke zu erreichen. Dazu passe, dass sie "immer wieder neue Geschichten" über den Tathergang aufgetischt habe, sagte Kastner. Am 4. Mai 2023, am vierten Prozesstag, wurde die Beschuldigte von den Geschworenen vom versuchten Mord freigesprochen. Die Laienrichter gingen von einem Verbrechen der schweren Körperverletzung aus. Daraufhin fasste der Berufsrichtersenat einen sehr seltenen Aussetzungsbeschluss, daher wurde der Prozess wiederholt, der Auftakt dafür erfolgte am 26. Juli 2023.
14 Jahre Haft
Beim "zweiten Durchgang" waren sich die Geschworenen einig. Am 15. September 2023, dem vierten Prozesstag, wurde die Angeklagte einstimmig für das Verbrechen des versuchten Mordes schuldig gesprochen. Das Urteil: 14 Jahre Haft. Verteidiger Andreas Mauhart meldete umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwaltschaft meldete Rechtsmittel aufgrund der Strafhöhe an.
Jetzt gibt es eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird stattgegeben, eine neue Hauptverhandlung im Landesgericht Ried angeordnet. Im Wesentlichen geht es um den zum Tatzeitpunkt 15-jährigen Neffen der Beschuldigten, der sich in der Tatnacht im Haus befunden hatte. Beim ersten Prozess machte dieser von seinem Entschlagungsrecht als Zeuge Gebrauch und verweigerte die Aussage.
In der Prozess-Neuauflage lehnte der Berufsrichtersenat die Beantragung der Verteidigung für eine erneute Einvernahme (per Videokonferenz) des Neffen ab. Begründet wurde dies damit, dass die im ersten Rechtsgang erfolgte Inanspruchnahme des Aussagebefreiungsrechts fortwirke und keine konkreten Anhaltspunkte für eine nunmehrige Aussagebereitschaft des genannten Zeugen vorlägen.
Mehrere Prozesstage
Der Oberste Gerichtshof argumentiert seinerseits sinngemäß damit, dass dieser Zeuge hätte gehört werden müssen. Daher wird der Prozess vor einem neuen Geschworenen- und Berufsrichtersenat zum dritten Mal neu aufgerollt. Es ist noch völlig offen, ob die mehrtägige Verhandlung wegen des Verbrechens des versuchten Mordes noch vor dem Sommer beginnen wird.