Familie verabschiedet sich von David Lama
INNSBRUCK/OTTAWA. Die Eltern des höchstwahrscheinlich in Kanada tödlich verunglückten Tiroler Alpinisten David Lama haben sich Freitagnachmittag via Social Media erstmals zu Wort gemeldet.
Sie bedankten sich für die "zahlreichen positiven Worte und Gedanken" und baten, David "mit seiner Lebensfreude, seiner Tatkräftigkeit und mit Blick Richtung seiner geliebten Berge in Erinnerung zu behalten".
"David lebte für die Berge und seine Leidenschaft für das Klettern und Bergsteigen hat uns als Familie geprägt und begleitet. Er folgte stets seinem Weg und lebte seinen Traum. Das nun Geschehene werden wir als Teil davon akzeptieren", schrieben Lamas Eltern und posteten dazu ein Foto ihres Sohnes.
Die Familien von Hansjörg Auer und Jess Roskelley würden sie in ihre Gedanken einschließen. Schließlich baten die Eltern "um Verständnis, dass es keine weitere Stellungnahme von uns geben wird". Indes lag bis Freitagnachmittag weiter noch keine offizielle Bestätigung des Todes der drei Alpinisten vor.
Wenig Hoffnung
Lama, Auer und Roskelley wollten eine Route klettern, die seit 20 Jahren niemandem mehr gelungen war. "M16" taufte der amerikanische Extrembergsteiger Steve House die Linie durch die Ostwand des 3295 Meter hohen Howse Peak in den kanadischen Rocky Mountains, nachdem er sie 1999 durchstiegen war."Wir mussten beinahe mehr geben, als wir hatten, um erfolgreich zu sein", schrieb er damals.
Auch David Lama, Hansjörg Auer und Jess Roskelley gaben alles – bis sie eine Lawine, so gewaltig, dass sie ein Haus zerstören hätte können, aus der Wand riss.
Wie berichtet, gelten die zwei Tiroler Extremkletterer und ihr amerikanischer Freund seit Mittwoch im Banff National Park in Kanada als vermisst. Bereits am Donnerstag gab es nur noch wenig Hoffnung für die drei Ausnahmebergsteiger.
Ausrüstung im Lawinenkegel entdeckt
Bei einem Suchflug wurden in dem mächtigen Lawinenkegel Seile und andere Ausrüstungsgegenstände der Kletterer entdeckt. Die Suchaktion wurde allerdings durch die immer noch hohe Lawinengefahr erschwert und brachte bis zum Redaktionsschluss keinen Erfolg.
Lama und Auer zählen zu den bekanntesten und erfahrensten Kletterern Österreichs. David Lama, der 28-jährige Innsbrucker, der zuerst ohne künstliche Hilfsmittel die Südostflanke des Cerro Tore in Patagonien und später genauso erfolgreich über die Kinoleinwand kletterte. Und Hansjörg Auer, 35 Jahre, aus dem Ötztal, der vor allem für seine langen, schwierigen Wandklettereien ohne Sicherungsmittel bekannt wurde. Gemeinsam mit dem Amerikaner Jess Roskelley planten sie auf ihrer mehrwöchigen Reise durch Kanada die Besteigung des 3295 Meter hohen Howse Peak im Banff National Park. Über eine schwierige Route in der Ostwand.
OÖN-TV: Rettungskräfte haben Teile der Kletterausrüstung gefunden
Suche vorerst unterbrochen
Seit Mittwoch gelten sie dort als vermisst. Wie gestern Nachmittag bekannt wurde, werden die drei Alpinisten unter einer "Lawine riesigen Ausmaßes" vermutet. John Roskelley, Vater des 36-jährigen Jess und selbst ein Pionier der Kletterszene, sagte gegenüber amerikanischen Zeitungen, er "glaube nicht, dass sie überlebt haben". Für die geplante Route der drei Alpinisten, seien perfekte Bedingungen nötig, sonst ende sie in einem Albtraum. "Offenbar ist das jetzt der Albtraum", sagte er.
Die kanadische Regierungsorganisation "Parks Canada" verlautbarte in einer Presseaussendung, dass die drei Bergsteiger "vermutlich tot" seien. Auch David Lamas Manager Florian Klingler konnte weder bestätigen noch dementieren, dass Lama unter einer Lawine ums Leben gekommen sei. Er kündigte eine Stellungnahme der Familie über die Homepage des 28-jährigen Bergsteigers an.
Auch der Ausrüster der drei Alpinisten geht von einem Unglück aus "Wir haben erfahren, dass drei Mitglieder unseres Global Athletes Teams, David Lama, Jess Roskelley und Hansjörg Auer, am 16. April in der kanadischen Provinz Alberta vermutlich von einer Lawine verschüttet worden sind", so The North Face in einem Statement.
We will continue to keep you updated and ask that you keep our athletes David Lama, Jess Roskelley, Hansjörg Auer, and their loved ones in your hearts and thoughts. pic.twitter.com/atGjT1DQHQ
— The North Face (@thenorthface) 18. April 2019
Seitens des Außenministeriums gab es Freitagvormittag noch keine offizielle Bestätigung für den Tod der beiden Tiroler. Zunächst müsse eine Bestätigung der kanadischen Behörden vorliegen, sagte Außenministeriumssprecherin Maria Holzmann. Ihren Informationen zufolge war eine Bergung aufgrund der nach wie vor großen Lawinengefahr bis Freitag zunächst nicht möglich.
"David ist eine Perle"
"Völlig verunsichert" war gestern Abend auch Peter Habeler. Der 76-Jährige, dem gemeinsam mit Reinhold Messner die Erstbesteigung des Mount Everests ohne künstlichen Sauerstoff gelungen war, kennt Lama, da steckte dieser noch in den Kinderschuhen. Bei Habeler lernte Lama im Alter von vier Jahren das Klettern. Erst 2017 stiegen die beiden gemeinsam durch die Eiger-Nordwand. "Der David ist eine Perle. Menschlich und sportlich großartig. Hansjörg und er sind die besten Kletterer Österreichs. Wir können jetzt nur noch hoffen", sagte Habeler im OÖN-Gespräch.
Messner: "Ein sehr schlimmes Unglück"
Tief betroffen über den wahrscheinlichen Tod der Tiroler Alpinisten hat sich auch die Bergsteigerlegende Reinhold Messner gezeigt. "Es ist ein sehr schlimmes Unglück, schrecklich", sagte Messner. Sowohl Lama als auch Auer habe er persönlich gut gekannt, so Messner, der den Angehörigen sein tiefes Mitgefühl aussprach. Lama habe seine "Kletterkunst in große Dimensionen getragen" und zudem über eine "starke Ausstrahlung" verfügt. Auer wiederum, mit dem er in noch engerem Kontakt stand, sei "in jeder Disziplin absolute Weltspitze" gewesen. Er vermute, dass bei dem Unglück in den Rocky Mountains ein Stück der Eiswand heruntergebrochen ist und letztlich zu dem tödlichen Unfall geführt hat.
Der Unfall zeige einmal mehr, dass das traditionelle Bergsteigen, bei dem man sich in die "absolute Wildnis" begebe und dabei alles selber mache, "wahnsinnig gefährlich" sei. "Es handelt sich dann nicht mehr um eine Frage des Könnens, sondern von Glück und Unglück", meinte Messner.
Von den Weltbesten, die sich in diesem Bereich bewegen, komme die Hälfte ums Leben - dies sei schon immer so gewesen. "Bergsteigen in dieser Dimension ist faszinierend. Aber es ist auch schwer zu vertreten", zeigte sich Messner nachdenklich.
Politiker betroffen
Einige Reaktionen zum noch nicht endgültig bestätigten Lawinentod der Tiroler Alpinisten kamen auch aus der Politik. Die Gedanken seien in dieser schweren Zeit bei den Familien und Freunden der beiden Tiroler, twitterten Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
"David Lama und Hansjörg Auer haben in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl von Erfolgen die internationale Kletter- und Alpinszene geprägt", würdigte Kurz zudem die Verunglückten. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach indes von "schrecklichen Nachrichten". Auch wenn man die Hoffnung noch nicht aufgeben wolle, müsse man "vom Schlimmsten ausgehen", so Platter.
Die größten Erfolge
David Lama wurde am 4. August 1990 als Sohn eines Nepalesen und einer Tirolerin in Innsbruck geboren und galt einst als Wunderkind des Kletterns. Der zweifache Jugend-Weltmeister (2004, 2005) gewann 2006 als 16-Jähriger als Erster einen Vorstieg- und Boulder-Weltcup in einer Saison. Nach WM-Bronze 2009 machte er sich in Richtung Alpinismus auf.
Einer seiner größten Erfolge war 2012 die erste freie Begehung der Kompressor-Route am Cerro Torre in den argentinisch-chilenischen Anden mit Peter Ortner. Am 25. Oktober 2018 gelang ihm die Erstbesteigung des 6895 Meter hohen Lunag Ri in Nepal über den Westpfeiler.
Video: Ein Trailer zum Film "Cerro Torre - nicht den Hauch einer Chance"
Der Ötztaler Hansjörg Auer (1984 geboren) vollbrachte auch beim Alpin- und Sportklettern bedeutende Leistungen. Bekannt wurde er vor allem durch die Free-Solo-Begehung an der Marmolata-Südwand in den Dolomiten im Jahr 2007. Außerdem gelangen ihm bei mehreren Expeditionen Erstbegehungen und Wiederholungen in Patagonien, Pakistan und im Yosemite Valley.