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Faktencheck - Aussagen über Migrantenkriminalität irreführend

Von nachrichten.at/apa, 10. Oktober 2024, 09:53 Uhr
Messer Klappmesser Jugendliche Kriminalität
(Symbolbild) Bild: colourbox.de

WIEN. Sicherheit und Migration waren nicht nur bei der Nationalratswahl entscheidende Themen, sie dominieren auch die Schlagzeilen immer wieder.

Oft wird dabei emotionalisiert und Statistiken werden für die Untermauerung von Behauptungen herangezogen. So auch in einem Artikel einer reichweitenstarken Plattform zur Ausländerkriminalität, in dem es heißt, dass 300 Frauen pro Jahr von Migranten vergewaltigt werden. Diese Aussage ist jedoch irreführend und verzerrt die Realität.

Einschätzung

Die Behauptung, dass in Österreich pro Jahr 300 Frauen von Migranten vergewaltigt werden, ist durch Zahlen nicht belegt. Ob ein Tatverdächtiger Migrationshintergrund hat, wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht erfasst, sie unterscheidet nur zwischen Österreichern und Nicht-Österreichern. Die Zahlen, mit denen in dem Artikel hantiert wird, basieren auf einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Innenministeriums. Es handelt sich allerdings nicht um Verurteilungen, sondern um Anzeigen.

Überprüfung

In der Kriminalstatistik werden grundsätzlich inländische und ausländische Tatverdächtige unterschieden. Unter ausländischen ("fremden") Tatverdächtigen werden alle Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft subsummiert. Das heißt, darunter fallen neben Geflüchteten und Asylwerbenden auch ausländische Studierende und Touristen in Österreich ebenso wie etwa alle EU-Bürgerinnen und Bürger.

Das Kriterium "Migrant" oder "Migrationshintergrund" existiert in der PKS nicht, wie der Sprecher des Bundeskriminalamtes (BK) gegenüber der APA bestätigte. Dasselbe geht auch aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch das Innenministerium (18482/AB) hervor. Alle Tatverdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft als "Migranten" zu bezeichnen, ist daher eine unzulässige Pauschalisierung.

Ausländische Tatverdächtige werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik in die Kategorien "erwerbstätig", "in Ausbildung", "Tourist", "Asylwerber", "nicht erwerbstätig und in Österreich sozialversichert", "nicht erwerbstätig und in Österreich nicht sozialversichert" und "nicht rechtmäßig aufhältig bzw. geduldet" eingeteilt, wie aus einer detaillierten Auswertung der Kriminalstatistik, die das Bundeskriminalamt der APA auf Anfrage zur Verfügung stellte, hervorgeht.

Diese Zahlen des BK zeigen, dass im Jahr 2023 von insgesamt 427 angezeigten Vergewaltigungen durch ausländische Tatverdächtige knapp die Hälfte (185) auf Erwerbstätige entfällt, 103 auf Nicht-Erwerbstätige (19 davon ohne Sozialversicherung in Österreich) und 49 auf Asylwerber. Wirft man einen Blick auf die tatsächlichen Verurteilungen, zeigt sich, dass die Zahl wesentlich geringer ist als die Anzeigen. So wurden 2023 253 Nicht-Österreicher wegen Vergewaltigung (§201 StGB) verurteilt (das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hervor).

Interessant ist, dass die vier am häufigsten verurteilten nicht-österreichischen Staatsangehörigen - alle Straftaten (nicht nur Vergewaltigung) betreffend - aus Rumänien, Serbien, der Türkei und Deutschland stammen (zur Quelle). Das sind zwei EU-Länder (Deutschland, Rumänien), ein EU-Beitrittskandidat (Serbien) und ein EU-Bewerberland (Türkei) - und damit nicht die Staaten, die üblicherweise im Fokus stehen, wenn es um die von manchen Parteien geforderte Begrenzung von Zuwanderung geht.

Vergewaltigungen passieren meist im Familien- und Bekanntenkreis

Um ein umfassenderes Bild zu erhalten, ist auch die Betrachtung der Art der Täter-Opferbeziehungen interessant, denn die meisten Sexualdelikte finden im Familien- und Bekanntenkreis statt. Bei Vergewaltigungsfällen im Jahr 2022 gab es laut Kriminalitätsbericht bei nur neun Prozent der Fälle keine Täter-Opfer-Beziehung. Fast ein Drittel (30 Prozent) fand in familiären Beziehungen statt, in fast der Hälfte der Fälle (42,5 Prozent) gab es ein Bekanntschaftsverhältnis zwischen Täter und Opfer.

Generell ist zu sagen, dass die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für Vergleiche, wie häufig Ausländer oder Inländer Straftaten begehen, nur begrenzt aussagekräftig sind. Manche Kriminologen sehen in der Statistik nicht mehr als einen "reinen Tätigkeitsbericht der Polizei" und kritisieren die Unterscheidung in Inländer und Fremde mit der Begründung, sie bediene "rassistische Diskurse" (Zu den Interviews mit den Kriminologen: "mdr", "Zeit").

Wie die kriminologische Forschung zeigt, sind für die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten weniger die Herkunft oder Staatsbürgerschaft eines Menschen, sondern Faktoren wie Gewalterfahrung, Bildungsniveau oder Armut entscheidend (Studie zu Gewaltkriminalität von Flüchtlingen, Beitrag "Migration und Kriminalität"). "Ausgrenzung, Wegfall einer menschenwürdigen Mindestsicherung und pauschalierende Aussagen und Medienberichte über bestimmte Nationen fördern lediglich Radikalisierung, Armut und damit Kriminalität", betont der Wiener Kriminologe Christian Grafl von der Universität Wien.

Zudem spielt auch die Anzeigenbereitschaft eine entscheidende Rolle. Studien hätten gezeigt, dass "fremde oder als fremd wahrgenommene Menschen viel häufiger angezeigt werden als jene, die 'zur eigenen Gruppe' gehören", so Veronika Hofinger, stellvertretende Leiterin des Institutes für Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck, gegenüber der APA.

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5  Kommentare
5  Kommentare
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Augustin65 (2.325 Kommentare)
vor 54 Minuten

Der oberste Polizeigewerkschafter Deutschlands sagte nach dem Polizistenmord in Mannheim, dass ihn die vorsätzlich geschönte Kriminalitätsstatistik anko.........

Damit ist alles gesagt.

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u25 (5.354 Kommentare)
vor einer Stunde

Schönschreiben hilft nichts mehr

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LiBerta1 (3.793 Kommentare)
vor einer Stunde

Solche Auslegungen treiben der FPÖ die Wähler zu.

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Hummelbrummel (9 Kommentare)
vor einer Stunde

Der Artikel wäre vor der Wahl sicher noch viel interessanter gewesen.

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LiBerta1 (3.793 Kommentare)
vor einer Stunde

Warum? Hätte die FPÖ dann noch mehr Stimmen bekommen?

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