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Völkerschlacht bei Leipzig: Das große Gemetzel

Von Martin Dunst, 12. Oktober 2013, 00:04 Uhr
Das große Gemetzel
Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg meldet den verbündeten Monarchen den Sieg in der Völkerschlacht bei Leipzig. Das Gemälde von Johann Peter Krafft entstand im Jahr 1817 und ist im Besitz des Heeresgeschichtlichen Museums Wien. Bild: HGM Wien

600.000 Soldaten kämpften vor 200 Jahren vor den Toren Leipzigs. Die Völkerschlacht galt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts als größtes Gefecht der Weltgeschichte. Im Gedenken an 100.000 getötete Soldaten zeigt diese Schlacht heute noch, wie steinig und blutgetränkt der lange Weg hin zu einer friedlichen europäischen Gemeinschaft war.

Vier Tage, von 16. bis 19. Oktober 1813, dauerte die „Völkerschlacht bei Leipzig“. Österreich, Preußen, Russland und Schweden besiegten die französische Armee. Napoleons Mythos der Unbezwingbarkeit war schon 1812 mit der Niederlage in Russland verblasst, aber die Folgen von Leipzig setzten den Kaiser der Franzosen nicht nur militärisch, sondern auch politisch matt: Er dankte ab und wurde nach Elba verbannt. Das endgültige Aus folgte zwar erst 1815 bei Waterloo, aber die napoleonische Ära ging unaufhaltsam dem Ende zu.

„Die Erkenntnis, dass Kriege eine furchtbare Sache sind, und Krieg das untauglichste politische Mittel überhaupt ist, die ist ja so neu nicht. Da braucht es nicht eine 200 Jahr zurückliegende Schlacht, um das historisch zu belegen, da gibt es viel Schlimmeres in jüngerer Vergangenheit“, sagt Steffen Poser, Leiter des Museums am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig.

Bemerkenswert ist für den Historiker und Autor neben den schieren Dimensionen dieser Schlacht, „dass sich nahezu alle Völker Europas gegenüberstanden, und am Ende der Kampfhandlungen waren die Zeitgenossen über die Dimensionen des Sterbens derart entsetzt, dass sie beim Wiener Kongress versuchten, eine Neuordnung Europas am Verhandlungstisch und nicht auf dem Schlachtfeld zu erzielen.“

Versuch mit Ecken und Kanten

Fürst Clemens Metternich lud also die europäischen Großmächte zum Wiener Kongress in die Habsburgermetropole, man brachte eine brauchbare Friedensordnung zuwege, aber die Kehrseite der veränderten Machtverhältnisse war die Rückkehr zur absolutistischen Herrschaftsform. Was die Französische Revolution zumindest in ihren Anfängen an positiven Veränderungen gebracht hatte – Verfassung, Parlamentarismus, bürgerliche Rechte –, hatte im autoritären „System Metternich“ keinen Platz.

„Dass dieser friedliche Erstversuch jede Menge Ecken und Kanten hatte, liegt in der Natur eines Erstversuchs“, sagt Poser. Aber es habe wenigstens diesen Versuch, der tatsächlich für einige Jahrzehnte Frieden brachte, gegeben. Nach Frieden habe sich nach Meinung des Museumsdirektors der Großteil der europäischen Bevölkerung gesehnt. „Die meisten Menschen hatten den Krieg und die immer wieder durchziehenden Armeeverbände schlicht satt.“ Das würde eine gewisse Begeisterung innerhalb der deutschen und auch österreichischen Bevölkerung für den Feldzug Europas gegen Napoleon Bonaparte erklären. „Die Menschen wussten, dass mit Napoleon keine Ruhe einkehren würde, die wenigsten hatten wohl die ganz großen, hehren politischen Ziele, die man ihnen 200 Jahre lang immer wieder unterstellt hatte: die Liebe zu Kaiser Franz in Österreich oder das Bekenntnis zu einer aufkommenden deutschen Nation in den Farben Schwarz-Rot-Gold.“

Dass es bei Leipzig zu einer Auseinandersetzung Napoleons mit dem Rest Europas gekommen ist, liegt wohl auch an den Einzelinteressen der beteiligten Reiche. Der russische Zar wollte sich Macht und Einfluss in Europa sichern, Preußen drängte auf die Rückeroberung von verlorenem Staatsgebiet. Österreich in Person Metternichs war um Ausgleich bemüht: die Franzosen nicht zu sehr schwächen und Preußen und Russland im Auge behalten. Die Schweden ihrerseits liebäugelten mit Norwegen.

Das alliierte Heer war den Franzosen zahlenmäßig haushoch überlegen. „Dennoch war der Sieg keine ausgemachte Sache, bis zum 16. Oktober hätten auch die Franzosen gewinnen können“, erläutert Poser. Erst als erneut frische Kräfte anrückten, war die Übermacht der verbündeten Armee erdrückend.

Oberbefehlshaber Schwarzenberg hatte dennoch keine leichte Aufgabe. In seiner bunt zusammen gewürfelten Armee dienten Männer aus einem guten Dutzend Länder. Da herrschte eine babylonische Sprachverwirrung, und vor allem gab es auch große kulturelle Unterschiede. „Unter Schwarzenbergs Kommando kämpften Baschkiren und Kalmücken – russische Nomadenvölker, die noch im Stile Dschingis Khans fochten –, andererseits standen in dem Heer auch englische Rocketeers zu finden, die erstmals eine hochmoderne Raketenwaffe testeten – da liegen gefühlt Jahrhunderte dazwischen“, sagt Poser.

Boden gutmachen

Auf der anderen Seite hatte der französische Kaiser und Heerführer Napoleon viele gute Pferde und kampferprobte Recken in Russland zurücklassen müssen. An ihre Stelle waren weitgehend junge, unerfahrene Burschen getreten. In den damaligen Gefechten ging es nicht in erster Linie darum, möglichst viele Feinde zu töten, sondern das Ziel war vielmehr, gegnerische Truppenverbände in Unordnung zu bringen, zum Rückzug zu zwingen und so an Terrain zu gewinnen. Die Verluste auf beiden Seiten waren enorm, das Gemetzel brutal. Wie beschrieben derart blutrünstig, dass die Machthaber Europas nach 1815 erst einmal genug von der Kriegtreiberei hatten.

Die Kugeln aus Musketen durchschlugen nicht nur das Fleisch und die Knochen, sondern schleuderten jede Menge Dreck in die Wunden der Getroffenen, das rief den gefürchteten Wundbrand hervor. Verletzte gab es viele, die medizinische Versorgung war mangelhaft.

Zeitzeugen-Berichte aus jenen Tagen im Oktober 1813 beschreiben grauenvolle Szenen. Den besiegten Franzosen ergeht es furchtbar, wie der sächsische Soldat Eduard Bitterlich schildert: „Tausende Jammergestalten wankten in allen Straßen und bettelten an jedem Fenster, an jeder Tür.“

Mehr als zwanzig Augenzeugen können belegen, dass französische Soldaten Fleischstücke aus gefallenen Pferden schnitten und diese verzehrten. Hunger und Seuchen hatten das Schlachtfeld ringsum eingenommen. Typhus plagte Soldaten und die Zivilbevölkerung.

Leipzig erblühte dank reicher Kaufleute bereits nach wenigen Monaten wieder in voller Pracht.

In der Gegenwart bereitet sich die Stadt seit Jahren auf das Doppeljubiläum „200 Jahre Völkerschlacht, 100 Jahre Völkerschlacht-Denkmal“ vor. Mit dichtem Programm und großem Spektakel sollen zahlungskräftige Touristen angelockt werden. „Es geht nicht um Jux und Tollerei, die Erinnerung sollte im Vordergrund stehen“, sagt Steffen Poser.

 

Das große Gemetzel
200 Jahre Völkerschlacht und 100 Jahre Völkerschlachtdenkmal - für die Stadt Leipzig ein Grund zum Feiern. Erinnern und Hinterfragen wäre wohl angebrachter. Bild: privat

200 Jahre Völkerschlacht und 100 Jahre Völkerschlachtdenkmal – für die Stadt Leipzig ein Grund zum Feiern. Erinnern und Hinterfragen wäre wohl angebrachter. (Foto: privat)

100 Jahre Schlacht-Denkmal

Zur Erinnerung an die kriegsentscheidende Schlacht gegen Napoleon im Jahre 1813 wird das 300.000 Tonnen schwere und 91 Meter hohe Denkmal nach beinahe 15-jähriger Bauzeit im Oktober 1913 eingeweiht. Der kolossale Tempel für Tod und Freiheit in Europa erhebt sich unweit des Kommandostandes Napoleons inmitten des Schlachtfeldes während der Völkerschlacht hoch über Leipzig. Das Denkmal musste bereits für viele Geschichtsdeutungen und nationale politische Interessen herhalten. Es steht wohl weniger für die gelungene Befreiung Deutschlands – Deutsche kämpften 1813 sowohl auf Seite der Alliierten als auch in den Reihen der französischen Armee –, es ist vielmehr überdimensionierter Gedenkstein für die vielen Opfer aus allen Ländern, die das blutrünstige Gefecht damals gefordert hatte. Zwischen 1913 und 1989 diente das Völkerschlachtdenkmal immer wieder als Ort für massenwirksam in Szene gesetzte Propaganda-Veranstaltungen unterschiedlicher Systeme von Hitler bis Honecker.

Unumstritten ist die schöne Aussicht, die man hoch oben vom Denkmal aus über Leipzig und die Umgebung hat. Bis 2017 muss das gesamte Denkmal, das von kritischen Zeitgenossen wenig liebevoll als Granitphallus tituliert wird, von Grund auf restauriert werden. Die Kosten dafür werden sich auf 30 Millionen Euro belaufen.

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