"Rückzieher gemacht?": Verwirrung über Gaza-Einigung
TEL AVIV. Nach der Verkündung einer Einigung über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln ist am Donnerstagvormittag erneut Verwirrung über den Deal entstanden.
Israels Premier Benjamin Netanyahu warf der Terrororganisation Hamas vor, einen "Rückzieher" gemacht zu haben. Das verzögere die Zustimmung des israelischen Kabinetts. Ein Hamas-Vertreter betonte hingegen, die Gruppe stehe zu der Vereinbarung.
Israelischen Medienberichten zufolge sollte das Kabinett für die Absegnung des Deals am Donnerstag zusammentreten. Netanyahu betonte in seiner Aussendung, dies werde nicht geschehen, solange es keine volle Einigung gebe. "Die Hamas zieht sich von Teilen der Vereinbarung zurück, die mit den Vermittlern und Israel getroffen wurde, um in letzter Minute Zugeständnisse zu erpressen", hieß es. Zuvor hatte das Vermittlerland Katar erklärt, Israel und die palästinensische Hamas hätten sich auf ein Abkommen geeinigt. Eine Waffenruhe soll demnach am Sonntag in Kraft treten.
Israel verstärkt Angriffe in Gaza
Während die Menschen in Gaza und Israel den Pakt feierten, verschärfte das israelische Militär nach der Ankündigung die Angriffe. Schwere israelische Bombardierungen, vor allem in Gaza-Stadt, töteten am späten Mittwoch 32 Menschen, sagten Rettungsdienste. Die Angriffe wurden am frühen Donnerstag fortgesetzt und zerstörten Häuser in Rafah im südlichen Gazastreifen, in Nuseirat im zentralen Gazastreifen und im nördlichen Gazastreifen, wie Anrainer berichteten. Nach Angaben des israelischen Militärs feuerten Militante aus dem Gazastreifen am Donnerstag eine Rakete auf Israel ab. Dabei gab es keine Verletzten.
Wie Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman al-Thani am Mittwochabend vor Journalisten sagte, sollen in einem ersten Schritt 33 israelische Geiseln freikommen, darunter Frauen, Kinder und alte sowie kranke und verletzte Zivilisten. Im Austausch dafür würden in einem zweiten und dritten Schritt palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlassen. Die Waffenruhe werde am Sonntag in Kraft treten und von den USA, Katar und Ägypten überwacht, sagte Thani.
Zwei von Netanyahus Ministern haben sich bereits öffentlich gegen die Einigung ausgesprochen. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich sprach von einem "schlechten und gefährlichen Abkommen für die Sicherheit des Staates Israel", auch der rechtsextreme israelische Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir stellte sich gegen das "katastrophale Abkommen". Nach Angaben aus Insider-Kreisen dürfte die Vereinbarung dennoch angenommen werden. Wie es langfristig etwa mit der Regierung im Gazastreifen weitergehen soll, war zunächst unklar.
Katar, die USA und Ägypten hatten eine Vermittlerrolle in den über Monate andauernden Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas in Doha eingenommen, die Anfang Jänner wieder aufgenommen worden waren. Katars Regierungschef Thani sagte, die Ankündigung der Waffenruhe geschehe nun "in der Hoffnung, einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den beiden Seiten zu erreichen".
94 Geiseln noch im Gazastreifen
Der Gaza-Krieg dauert bereits mehr als 15 Monate. Ausgelöst worden war er durch den beispiellosen Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1.210 Menschen getötet und 251 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
94 der Geiseln sollen sich nach wie vor im Gazastreifen befinden, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee bereits tot. Unter den Entführten befindet sich auch der österreich-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham.
Laut Thani würde sich die israelische Armee während einer ersten Phase der Waffenruhe aus den dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen, um den Austausch sowie "die Rückkehr der Vertriebenen" zu ermöglichen. Details bezüglich der zweiten und dritten Phase würden nach der Umsetzung der ersten Phase bekannt gegeben. Israelische Medien berichteten, dass Israel dem Abkommen zufolge in der ersten Phase eine Pufferzone im Gazastreifen beibehalten will.
Jubel im Gazastreifen
Die Nachricht über das Abkommen löste im gesamten Gazastreifen Jubel aus. Die Menschen tanzten, umarmten einander und fotografierten sich, um den besonderen Moment festzuhalten.
Israel war seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vorgegangen. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, bisher mehr als 46.700 Menschen getötet.
Die Hamas erklärte, die geplante Waffenruhe im Gazastreifen sei "das Ergebnis der legendären Hartnäckigkeit unseres palästinensischen Volkes und unseres tapferen Widerstands im Gazastreifen seit mehr als 15 Monaten". Die iranischen Revolutionsgarden sprachen von einem "Sieg für den palästinensischen Widerstand".
Biden und Trump erfreut
US-Präsident Biden zeigte sich "begeistert" über die Vereinbarung und erklärte, sie sei aufgrund der "hartnäckigen und gewissenhaften" Arbeit der US-Diplomatie zustande gekommen. Zugleich betonte Biden, mit dem künftigen US-Präsidenten Trump habe er dabei als "ein Team" zusammengewirkt.
Trump selbst verbuchte die Einigung wenige Tage vor seinem Amtsantritt als eigenen Erfolg. "Diese epische Waffenruhe-Vereinbarung konnte nur als Ergebnis unseres historischen Siegs im November zustande kommen", schrieb er in seinem Onlinedienst Truth Social mit Blick auf seinen Sieg bei der Präsidentschaftswahl.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte auf der Plattform X, die Vereinbarung bringe "Hoffnung für die gesamte Region, in der die Menschen viel zu lange unermessliches Leid erlitten" hätten.
China äußerte sich erleichtert und äußerte die Hoffnung, dass es zu einer Deeskalation in der Region kommen könnte, hieß es aus dem chinesischen Außenministerium.
Van der Bellen, Außenministerium und Nehammer erleichtert
In Österreich zeigte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen erleichtert über die Einigung. Diese "bringt Hoffnung und Trost, dass das Leiden auf allen Seiten nun ein Ende haben kann". Er erinnerte gleichzeitig an die österreichisch-israelische Geisel: "In diesen Stunden sind meine Gedanken bei dem israelisch-österreichischen Staatsbürger Tal Shoham und seinen Angehörigen und bei allen Menschen in der Region, die es dringend verdienen, in Frieden zu leben."
Auch das Außenministerium sowie Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begrüßten die Einigung. "Dies gibt uns Hoffnung, dass auch der israelisch-österreichische Staatsbürger Tal Shoham, für dessen Freilassung ich seit Monaten kämpfe, freigelassen werden könnte", so Nehammer auf X. Der frühere Bundeskanzler war im ständigen Austausch mit der Frau und dem Vater der Geisel. Der außenpolitische Sonderbeauftragte Peter Launsky-Tieffenthal wurde nach Doha entsandt. Das Außenministerium schrieb auf X: "Sehr positive Nachrichten nach 467 schrecklichen Tagen."
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Ich hoffe, es ist auch geregelt, dass die Hamas die Waffenruhe nicht dazu nutzen kann, sich wieder neu zu formieren.
Dieser israelische Kriegsverbrecher wird immer untragbarer.
Wieviele Zivilisten will dieser israelische Teufel noch töten?
Netanyahu wird trotzdem weitermachen.
Und die Hamas nicht?