Patentrecht entschärft: "Patent auf Leben" verhindert
WIEN. Herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere dürfen in Österreich nicht patentiert werden. Heute, Mittwoch, passierte eine Novelle des Patentgesetzes den Ministerrat, wodurch nicht nur Bauern, sondern auch kleine Brauereien keine Sorge mehr vor Patentrechtsklagen großer Konzerne haben müssen. Umweltorganisationen begrüßten die Novelle.
Mit der Novelle, die noch einen Beschluss im Nationalrat braucht, sollen strengere gesetzliche Regelungen für Patente auf Leben eingeführt werden. Österreich habe bereits bisher "besonders fortschrittliche Regeln, die Patente auf Leben verhindern und sicherstellen, dass die heimische Landwirtschaft geschützt ist", sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Pressefoyer nach der Regierungssitzung. Mit dieser Novelle gehe man aber "noch einen Schritt weiter".
"Natürliche Pflanzen und Tiere dürfen nicht patentiert werden. Das gilt für alle Formen konventioneller Züchtung", so Gewessler - auch dann, wenn Zufallsmutationen im Labor entstehen. Dieses neue Patentverbot gilt nur für die landwirtschaftliche Nutzung. Weiterhin möglich sind etwa Patente, sofern die durch derartige Mutationen entstandenen Organismen etwa für pharmazeutische Produkte verwendet werden.
Streit um Braugerste
Nur ein Beispiel, welche Auswirkungen das Patentrecht haben kann: In den vergangenen Jahren haben Brauerei-Riesen wie Carlsberg in der EU mehr als ein Dutzend Patentanträge auf Gerste-Züchtungen, Gerstenpflanzen, deren Verwendung zum Bierbrauen sowie das daraus erzeugte Bier gestellt. Durch die Patente können Züchter und Brauereien die neuen Sorten nicht verwenden, kritisierten Privatbrauereien und NGOs gleichermaßen. Die Bier-Vielfalt werde dadurch stark eingeschränkt.
"Mit der Novelle ist es gelungen, Schlupflöcher im Patentrecht zu stopfen. Wir können damit eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen", sagt Clemens Stammler, Sprecher für Regionalpolitik und den ländlichen Raum der Grünen. Kleine Brauereien müssten sich nun diesbezüglich keine Sorgen mehr machen, "in Österreich gibt es nun keine Chance mehr für die Patentierung von Braugerste". Ernüchternder Nachsatz: In anderen EU-Ländern kann das Patent sehr wohl noch beantragt und danach die Pflanze oder das Tier in Österreich in Verkehr gebracht werden. Die Novelle habe jedoch viel breitere Auswirkungen als nur für die Bierbrauer. Bäuerliche Betriebe, aber auch Saatgut-Züchter wie die Saatbau Linz wären jetzt sicher vor Patentrechtsklagen, weil zufällige Züchtungen jetzt eben nicht mehr patentierbar seien, so Stammler.
„Heute hat die Bundesregierung klargestellt, dass herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere in Österreich nicht patentiert werden dürfen“, freut sich auch Volker Plass, Geschäftsführer von Arche Noah, der Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung. „Der Beschluss ist ein wichtiges Signal an die EU und das Europäische Patentamt: Das Patentrecht darf nicht länger missbraucht werden, um den Saatgutmarkt immer weiter zu monopolisieren. Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung und keine Erfindung eines Konzerns.“
Patent-Verbot bisher umgangen
Eigentlich ist die Patentierung von herkömmlich gezüchteten Pflanzen und Tieren in der EU verboten. Diverse Schlupflöcher machten es jedoch möglich, so Arche Noah, dass mehrere Patente auf Braugerste und Bier (Carlsberg), ein Patent auf Mais mit besserer Verdaulichkeit (KWS), ein Patent auf Salat für warmes Klima (Rijk Zwann) und ein Patent auf Melonenpflanzen mit buschigem Wuchs (Nunhems/BASF) erteilt wurden. Die patentierte Gerste wurde über Jahrtausende durch Bauern vermehrt. "Carlsberg und Heineken haben diese Entwicklung nur fortgesetzt, nicht erfunden", so Stammler. Einsprüche gegen das Patent führten in einem Fall zur Einschränkung des Patents, ein anderes Patent hat der Konzern zurückgezogen. Andere Patente sind jedoch noch aufrecht oder wurden neu beantragt.
Die Umweltorganisation Global 2000 begrüßte den Vorstoß der Regierung. "Gerade angesichts der Klimakrise ist es höchst problematisch, dass sich Konzerne mithilfe von Patenten auf Pflanzen exklusive Nutzungsrechte auf Merkmale wie Krankheitsresistenzen oder Hitzebeständigkeit von Pflanzen verschaffen, die für die konventionelle Züchtung von zukunftsfitten Sorten zentral sind", sagte Brigitte Reisenberger, Landwirtschafts- und Gentechniksprecherin der NGO. Bauern bräuchten dringend Zugang zu genetischem Material, um lokal angepasste Pflanzen für die Klimakrise weiterzuentwickeln.
Nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch die Kulturpflanzenvielfalt werde durch die Gesetzesänderung bewahrt. Sie stärke "die Unabhängigkeit der heimischen Bäuerinnen und Bauern von der globalen Agrarindustrie", sagt Stammler.
Die Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, FIAN, sieht darin einen wichtigen Schritt, um zunehmender Monopolisierung von Saatgut in Händen der Agrarchemiekonzerne entgegenzutreten. Nur vier Agrochemieunternehmen - Bayer-Monsanto, DowDuPont/Corteva, ChemChina-Syngenta und BASF - kontrollieren mehr als die Hälfte des weltweiten Saatgutmarktes und zugleich drei Viertel des weltweiten Pestizidmarktes, schrieb die NGO in einer Aussendung. Dabei sei der Zugang zu Saatgut wichtige Voraussetzung, damit sich Menschen selbst mit Nahrung versorgen können.