Ein Mühlviertler spielt den fiesen Stahl-Baron im ORF-Hit "Vienna Blood"
Rainer Wöss ist heute um 20.15 Uhr (ORF 2) im ersten Teil der Krimi-Trilogie zu sehen.
"Was soll man über Gott noch sagen müssen?" Das antwortete Schauspieler Rainer Wöss auf die Frage seines Regisseurs Robert Dornhelm, wie die Leute seinen Charakter im ersten Teil der Reihe "Vienna Blood" wohl beschreiben könnten. Große ORF-Premiere der aufwändigen britisch-österreichischen Koproduktion ist heute (20.15 Uhr, ORF 2). Bei der Erstausstrahlung in Großbritannien schauten im Schnitt knapp zwei Millionen zu (mehr in der Box).
Der renommierte Wiener Filmemacher und der Mühlviertler verstanden einander also bestens. Denn Wöss, der in Berlin lebt, aber aus St. Martin im Mühlkreis stammt, verkörpert im Auftakt des Krimis der Wiener Jahrhundertwende einen so zwielichtigen wie präpotenten Charakter: Hans Bruckmüller – größter Stahlproduzent Wiens, Lobbyist, in der Eigenwahrnehmung "gottgleich".
Er ist es, der den Vater des jungen Protagonisten Max Liebermann – der Londoner Matthew Beard an der Seite von Vorstadtweiber-Star Juergen Maurer als Ermittler – in die "High Society der Mächtigen" einführt. In der heutigen Episode "Die letzte Séance" erinnert er an einen Paten, der es seinem "Zögling" ermöglicht, dem Chef der Zentralbank sowie dem größten Waffenfabrikanten die Hand schütteln zu dürfen.
"Das ist kein negativer Mensch"
Bruckmüller gefällt sich in dieser Rolle. Wöss mag sie so gerne, dass er sie im OÖN-Gespräch noch einmal anspielt. "Ich habe Wien gemacht! Jedes Tafelmesser, jedes Skalpell. Wissen Sie überhaupt, mit wem Sie hier reden?" Der 57-Jährige donnert. Jede Nuance sitzt, geschliffen von Jahren an deutschsprachigen Theatern. Natürlich wissen die OÖN, mit wem sie hier sprechen. Nicht erst, seitdem Wöss den oberösterreichischen Landkrimis als bärbeißiger "Seeblickwirt" Kanten verpasste. Auf die im Scherz gestellte Frage, warum er sich überhaupt traue, eine negative Figur zu spielen, die den Nachnamen seiner Interviewerin diskreditiere, lacht er und sagt: "Aber das ist doch kein rein negativer Mensch! Man muss als Schauspieler immer davon ausgehen, dass es einen Grund gibt, warum Charaktere so sind, wie sie sind." Ein Beispiel? Mackie Messer. "Er ist scheinbar das Ober-Arschloch. Will ich ihn spielen, kann ich aber nicht davon ausgehen, dass er ein Arsch ist."
Um Bruckmüller verstehen zu können, habe er eine eigene, fiktive Biografie entwickelt. "Er hat sich emporgearbeitet oder nach oben intrigiert, aber bestimmt nicht in eine Stahldynastie eingeheiratet. Seine Wurzeln sind ebenerdiger, im Arbeitermilieu. Er hat im Stahlwerk angefangen, er kommt vom Land und hat sich raufgehackelt." Wie Sie? Nur ohne den Teil mit den gnadenlosen Intrigen. Wöss lacht wieder. "Ich arbeite in einem Neidgeschäft. Logisch, weil man als Schauspieler überleben muss und Rollen braucht. Aber hartes Ellenbogen-Ausfahren liegt mir gar nicht", sagt der Sohn des früheren Inhabers des ADEG-Supermarkts in St. Martin, den sein Gespür fürs "Ebenerdige" letztlich bei Hans Bruckmüller half.
" A bisserl mehr Österreich"
Gedreht wurde in Wien, etwa im Hotel Sacher, aber auf Englisch. "Bei der deutschen Synchronisation hatte ich fast ein Problem damit, ihm die Coolness zu verpassen, die er im Englischen bereits hatte." Ein "bisserl mehr Österreich" in der Stimme brauchen wir noch, wies der Synchronregisseur an. "Da habe ich mich an die Wurzeln erinnert. Es hat funktioniert."
Stoppen darf Wöss aber weder Duktus noch Inhalt. Als Bruckmüller beruhigt er "seine" Entdeckung, den jüdischen Unternehmer Mendel Liebermann: "In dieser Stadt entscheiden wir, wer Jude ist und wer nicht." Ein Satz, der den Antisemitismus der Zeit auf den Punkt bringt. "Das darf mir aber nichts machen. Erstens, weil ich Schauspieler bin." Zweitens stelle er sich so in den Dienst des Erinnerns. "Denn Antisemitismus ist nicht ausgestorben, absolute Aufarbeitung noch Illusion."
Während der Absolvent der Linzer Bruckneruni als Schauspieler jeden Satz in den Mund nehmen kann, gibt es aber drei Worte, die er nur seiner Frau, Schauspielerin Verena Berger, und ihrer Tochter Lina (18) sagen kann: "Ich liebe dich. Sonst geht das bei keinem."