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Eine Buhlschaft, die den Jedermann zum Teufel jagt

Von Peter Grubmüller, 22. Juli 2019, 00:04 Uhr
Eine Buhlschaft, die den Jedermann zum Teufel jagt
Keine Frage, die Buhlschaft (Tscheplanowa, Mitte) lässt sich von Jedermann (Moretti) nicht ins Jenseits mitreißen. Bild: APA

Salzburger Festspiele: Die Premiere auf dem Domplatz wurde zum Naturschauspiel.

Er ist ins Geld, ins Vergnügen, in die Lust vernarrt – aber Demut und vor allem die Liebe hat er versäumt. Das kann man so abgebrüht und im Vorbeigehen hinnehmen wie Tobias Moretti in seinem dritten Sommer als Jedermann. Was 2017 und 2018 wie die einkalkulierten Defizite eines raffinierten Spekulanten gezündet hatte, verlief sich bei der Premiere am Samstag in merkwürdiger Routine. Diesmal entwickelte sich sein Jedermann erst zur Wucht, als ihn Angst und Verzweiflung vor dem Griff des Todes umtreiben.

Im gleichfalls dritten Jahr seiner Inszenierung wurde Michael Sturminger erstmals mit einer Premiere auf den Domplatz gelassen. Bisher war er stets vom Regen ins Schauspielhaus verscheucht worden. Und der Regisseur hat seine ursprünglichen Überlegungen noch klarer entwickelt und von Firlefanz befreit. Gut so, weil diese Inszenierung mit Moretti auch das 100-jährige Festspiel-Jubiläum im kommenden Jahr schmücken soll. Erstmals verantwortete Sturminger obendrein das gesamte Ensemble: mit Valery Tscheplanowa als Buhlschaft und Morettis Bruder Gregor Bloéb als Guter Gesell/Teufel an der Spitze von insgesamt acht Neuzugängen.

Die selbstbewussteste aller bisherigen Buhlschaften verführt gleich zur Selbstbefragung: Ist es der Zauber des Neuen – oder was steckt noch dahinter, dass man sich von dieser Frau hingerissen fühlt? Sie tritt nicht auf, sondern sie steht wie vom Himmel gefallen da, als der Vorhang zur Seite geschoben wird. Zwei Singstücke sind ihr wie auf die Stimme geschrieben; Tscheplanowa tanzt, als könne sie in Bewegung die Hölle vertreiben – und noch nie wurde "Mein Mann ist besonders heut’" mit so viel Verachtung ins Publikum geschleudert wie von dieser Strippenzieherin. Sie verlässt ihn nicht, sie jagt ihn zum Teufel, ehe es ihm an den Kragen geht.

Bloéb gerbt Jedermanns Gesell zu einem Glasscherbenviertel-Gfrast. Er ist einer, der aufräumt, wenn es nichts mehr zu diskutieren gibt. Solche Gesellen existieren, man muss sie aber nicht mögen.

Puffmutter mit Bluthochdruck

Als Teufel gleicht er einer rot geschminkten Puffmutter mit ungesundem Blutdruck. Aber er verbeißt sich zur Unterhaltung des Publikums bellend wie ein Höllenhund ins Steckerl, das ihm Werke (famos zerbrechlich: Mavie Hörbiger) und Glaube (der mit Kreuzen am Pistolengürtel zum Duell bereite Falk Rockstroh) hinwerfen.

> Video: Jedermann-Auftakt in Salzburg

Mit Jedermanns Vettern (Björn Meyer/der Dicke, Tino Hillebrand/der Dünne) weiß Sturminger nichts Zündendes anzufangen, und warum Michael Masula als neuer Schuldknecht bei seiner Verhaftung emotionsfrei abgeht, statt um seine drei Kinder zu kämpfen, bleibt ebenfalls in der Luft hängen.

Peter Lohmeyer als seit 2013 engagierter Tod hat von seinem magischen Magnetismus nichts eingebüßt. Edith Clever ist als edle, lästig mahnende Mutter ebenfalls gesetzt. Und Christoph Franken lässt als Gold-Monster Mammon keine Zweifel darüber offen, wer der Chef im Hause Jedermann ist.

Noch höhere Mächte haben Sturminger letztendlich zum Erfolg verholfen: Als den Jedermann bei Tisch der erste Wahn befällt, zucken in der Ferne Blitze. Zur Debatte mit den Werken frischt Wind auf. Und mitten in den Teufel-Monolog um Jedermanns Seele fallen die ersten Tropfen. Unter solchen Umständen wächst der Jedermann zum donnernden Naturschauspiel.

Fazit: Tscheplanowa gestaltet aus der kleinen Buhlschaft-Rolle etwas Großes. Moretti nimmt spät Fahrt auf – ein Jedermann, der sich für das 100-jährige Jubiläum 2020 Luft nach oben gelassen hat.

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller
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