Kopfhörer #127: Franz Ferdinand und die Angst
Es geht um die Angst, aber dieses Gefühl lösen Franz Ferdinand auf ihrem neuen Album „The Human Fear“ nie aus.
Angst erinnert dich daran, dass du am Leben bist. So einfach ist das. Alex Kapranos, Sänger der britischen Band, ist dennoch auch überrascht. Denn in der Angst ist kein melodramatisches Rückzugsgefecht aus den elf neuen Songs geworden, sondern ein Album, das Ja zum Leben sagt und voll von mitreißenden musikalischen Momenten ist. „Wir sind in gewisser Weise süchtig nach dem Rausch, den uns Angst geben kann“, preist Kapranos die Lieder als solche an, die „den Nervenkitzel des Menschseins in der Angst suchen“.
Dass man das nicht sofort hört, ist den Machern auch bewusst. So braucht sich niemand vor den Songs zu fürchten, die mit einer Geradlinigkeit daherrauschen, dass man gar keine Möglichkeit hat, ihnen auszuweichen oder gar aus dem Weg zu gehen.
Schon der Opener ist mit „Audacious“ eine kleine Hymne mit der Kernbotschaft des Albums. Man braucht nicht kühn den Herausforderungen einer Zeit zu begegnen, in der wir als Gesellschaft nicht mehr im Dialog sind, weil wir andere Meinungen als die eigene nicht hören wollen. Das mag Angst machen, aber vielleicht ist es besser, einfach zu sagen: „Scheiß drauf! Heute nicht, danke!“
In „Everydaydreamer“ liefern Franz Ferdinand gleich noch eine Antwort darauf, wie man sich nicht zu Tode fürchtet, der satte Groove von „Build It Up“ entwickelt sich schnell zum Ohrwurm und die spielerische Freude wird in „Black Eyelashes“ hörbar.
Franz Ferdinand "The Human Fear" (Domino)
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Ringo Starr „You Want Some“: Ein Beatle lässt seiner Lebensliebe zum Country freien Lauf und findet mit Unterstützung von T Bone Burnett den passenden Ton. Der Song ist die Country-Blues-Perle auf dem Album „Look Up“ (Universal), das mit „Thankful“ (mit Alison Krauss) und „I Live for Your Love“ (mit Molly Tuttle) auch Lebensweisheiten parat hält. Dankbar zu sein, nicht in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit zu leben, sind aus dem Mund eines 84-Jährigen sehr glaubwürdig.
Kleinstadtkaliber „Vü zvü“: Das Leben im Überfluss erzeugt mehr Druck als Genuss. Es täte uns also allen gut, uns wieder auf das Wesentliche zu reduzieren. Im Fall der Mundart-Popband heißt die Devise „zufriedener mit weniger wäre viel lässiger“. Recht so.
Julien Baker & Torres „Sugar in the Tank“: Zwei Stimmen, die großartig zusammenspielen, und ein Song, der von Anfang an zündet, weil da die Überzeugung zu hören ist, dass nur richtig sein kann, was sich richtig und gut anfühlt, ergibt einen mitreißenden Country-Song. Stark.
Robbie Williams „OST Better Man“: So die aufregende Lebens- und Leidensgeschichte des großen Entertainers mit einem Affen in der Hauptrolle dargestellt wird, so ist auch der 13 Songs starke Soundtrack zum Film „Better Man“ wie ein Best Of von Robbie, allerdings in etwas abgewandelter Form. So kann man auch dem Bekannten neue Seiten abgewinnen. „Forbidden Road“ am Ende bleibt aber so gesehen der einzig wirkliche neue Robbie-Song, der vor allem textlich tief in das bewegte Leben blicken lässt.