Laufen will gelernt sein
Spätestens mit eineinhalb Jahren ist jeder Mensch, so er nicht durch eine körperliche Behinderung beeinträchtigt ist, des Laufens mächtig. Doch wer läuft, läuft nicht automatisch richtig. Richtig Laufen ist vor allem eine Frage der Technik.
Die einen laufen mit Riesenschritten, andere gehören zur Kategorie der Schleicher oder Hopser, während wieder andere ganz leichtfüßig daherkommen, beinahe schwebenden Schrittes unterwegs sind, im Gegensatz zu jenen Läufern, die zwar schnell sind, deren Laufstil aber dennoch irgendwie träge und schwerfällig wirkt.
"Von zehn Läufern, die einem auf einer Laufstrecke begegnen, läuft jeder anders", sagt Sportwissenschafter Mario Frei. Doch wie jemand läuft, hat Auswirkungen auf vielerlei Faktoren. "Laufe ich falsch, heißt das zwar nicht automatisch, dass ich Probleme bekomme, aber mit der richtigen Technik spare ich Kraft, kann angenehmer und lockerer laufen, Beschwerden und Verletzungen vorbeugen," sagt der Experte. Genau das versucht er den Teilnehmern seiner Laufseminare zu vermitteln.
Alles eine Frage der Technik
Hauptfokus seiner Arbeit: der Fußaufsatz. Vieles könne dabei falsch gemacht werden, so der gebürtige Steirer mit Sportpraxis in Linz. Der klassische Läufer ist der sogenannte Fersenläufer. Mit der Ferse aufsetzen und dann abrollen, dieses Laufmantra vergangener Zeiten klingt vielen noch in den Ohren. "Ist aber völlig falsch", sagt Frei. Setze man mit der Ferse auf, sei das Knie gestreckt, der volle Schlag gehe auf das Kniegelenk und die Hüfte. Der Schuh dämpfe zwar den Stoß, viele Läufer bekämen jedoch irgendwann Probleme mit der Ferse. Der Fußaufsatz erfolgt zu weit vor dem Körperschwerpunkt, was außerdem eine Bremswirkung zur Folge hätte.
Im Gegensatz dazu hat etwa der Ballenläufer eine "super" Abfederung, die Belastung auf Ballen und Wade ist jedoch eine hohe. Der Mittelfußlauf, wie Frei ihn nennt, ist für ihn der ökonomischste und auch schonendste Laufstil: "Versuche ich nämlich, den Fuß möglichst flach aufzusetzen, dann ist das Knie abgewinkelt und der Stoß wird abgefedert."
TIPP: Um vom Fersenläufer wegzukommen, empfiehlt der Sportwissenschafter, sich zunächst aufrecht hinzustellen und das Gewicht auf beide Beine gleichmäßig zu verteilen. "Anschließend das Gewicht leicht nach vorne verlagern, aber nur ein bisschen, sodass die Ballen belastet werden. Dasselbe probiere ich dann beim Laufen", so sein Ratschlag.
Auf dem Weg zum richten Laufstil gibt es laut Frei viele Schräubchen zu drehen. Doch mit bereits einfachen Tipps könne eine Menge bewirkt werden. Ein solches Schräubchen, an dem der Experte bei seiner Laufkundschaft häufig dreht, ist die Armhaltung beziehungsweise der Armschwung. Beidem werde zu wenig Bedeutung beigemessen, meint der Experte. Ein Fehler. "Die Armarbeit steuert die Schrittfrequenz und ist ganz wichtig für die Lauftechnik", sagt Frei und erklärt warum: Beine wie Arme müssten wie zwei Pendel betrachtet werden, die miteinander gekoppelt immer gegengleich arbeiten. Schwingen die Arme kurz, hat das kürzere Schritte und eine höhere Schrittfrequenz zur Folge. Die Lauftechnik verbesserte sich, weil sich der Körperschwerpunkt weiter vorne befindet. Ist das Pendel lang, werden Schritte länger, die Frequenz geringer, der Körperschwerpunkt wandert nach hinten, die Belastung auf Knie, Gelenke, Muskeln steigt.
Weder mit fast ausgestreckten noch mit zu eng anliegenden Armen, auch nicht mit geballten Fäusten oder Bewegungen, die einer Lokomotiven gleichen, sollte der Sportler Armeinsatz zeigen, vielmehr sollte sich der Arm in möglichst spitzem Winkel vom Ellbogengelenk bewegen. Auch ein rechter Winkel sei zu wenig, so Frei.
TIPP: Um die richtige Armhaltung zu erhalten, rät der Sportwissenschafter, sich etwa einen kleinen Stock in die Armbeuge zu klemmen. "Dieser sollte beim Laufen möglichst nicht herausfallen. Das fühlt sich anfangs zwar etwas eigenartig an, steuert jedoch die Schrittfrequenz.
Die Experten: Mario Frei ist Sportwissenschafter mit eigener Praxis in Linz, spezialisiert auf Lauftechnik, Analysen und Laufdiagnostik mittels Spiroergometrie. (www.mariofrei.at) In Kooperation mit Wolfgang Ermeling hält der Sportwissenschafter Laufseminare für Anfänger und Fortgeschrittene ab, Infos und Anmeldung unter www.runners-store.at
Was es noch zu beachten gilt
Intervalle sind für jeden Läufer wichtig. Vor allem Anfänger sind häufig überehrgeizig. Neueinsteiger mit geringer Grundkondition sollten zu Beginn abwechselnd eine Minute gehen, eine Minute laufen.
Dehnen wird von den meisten Läufern vergessen, ist aber wichtig, weil durch die hohe Spannung ansonsten eine Verkürzung diverser Muskelgruppen droht. Dehnen nur im aufgewärmten Zustand – also nach dem Laufen.
Abwechslung: Eintönigkeit gilt es zu vermeiden, Streckenlänge und -tempo zu variieren. Deshalb: Wenn möglich nicht die gleiche Strecke im gleichen Tempo laufen. Der Körper stellt sich darauf ein und Fortschritte werden minimiert.
Atmung: Durch die Nase oder durch den Mund – wie atme ich richtig? Geht es nach Mario Frei, wird darüber viel zu viel diskutiert. „Die Nasenatmung schützt vor zu schnellem Laufen, und die Luft wird vorgewärmt, was vor allem im Winter ein Vorteil ist.“ An sich gebe es jedoch kein Richtig oder Falsch. Je intensiver die Belastung desto eher atmet der Läufer durch den Mund.
Problemfall Seitenstechen: Auch hier gehen die Meinungen auseinander, vor allem was die Ursachen betrifft. Für Sportwissenschafter Frei steht fest: „Seitenstechen ist der Klassiker bei Anfängern, wenn sie zu schnell laufen und der Körper überlastet ist.“ Tipp: Belastung rausnehmen, kurz Pause machen
Die Auswirkungen auf den Körper
400 Muskeln oder etwa 70 Prozent der gesamten Muskulatur werden beim Laufen bewegt.
Bei jedem Laufschritt wirkt das zwei- bis dreifache des Körpergewichtes auf Muskeln und Gelenke ein.
Bluthochdruck: Bereits 15 Kilometer in der Woche senken das Risiko für Hypertonie um 39 Prozent. Durchschnittlich senkt Laufen den systolischen Wert um 2,6, den diastolischen um 1,8 mm/Hg
Cholesterin: Das gute HDL-Cholesterin nimmt durch regelmäßiges Lauftraining um bis zu 30 Prozent zu. Der Triglyzeridspiegel fällt nachhaltig.
Demenz: Bewegungsmuffel haben um ein bis zu 60 Prozent höheres Demenzrisiko.
Depression: Die vermehrte Ausschüttung von Noradrenalin, Dopamin und Serotonin macht Läufer weniger anfällig für Depressionen.
Gehirnfunktionen: Bereits sechs Wochen intensives Lauftraining führen zu deutlichen Verbesserungen von räumlich-visuellem Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit. Außerdem wird die Bildung neuer Gehirnzellen angeregt.
Hormonhaushalt: Laufen gleicht die altersbedingten Schwankungen des Hormonhaushalts aus. Regelmäßige körperliche Anstrengung kann das hormonelle Alter um bis zu 20 Jahre zurückdrehen.