#TechnoMeToo-Prozess: Wiener DJ wies Missbrauchsvorwürfe zurück
WIEN. Im März 2024 soll es auf der Toillettenanlage in einem Wiener Club zu einer Vergewaltigung gekommen sein. Gegen einen 29-jährigen DJ wird am Landesgericht Wien verhandelt.
Unter dem Hashtag #TechnoMeToo haben im September 2023 die Aktivistin und Party-Veranstalterin Frederika Ferková und die DJ Sabrina Geißler ein Bewusstsein für Übergriffe auf Frauen, trans und nonbinäre Personen im Wiener Nachtleben geschaffen. Dutzende Betroffene berichteten in weiterer Folge von missbräuchlichem Verhalten von männlichen Club-Besitzern, Veranstaltern und DJs. Ein Name, der dabei fiel, war der eines DJs, gegen den nun am Landesgericht verhandelt wurde.
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Staatsanwältin Franziska Fent warf dem 29-Jährigen zunächst Vergewaltigung in einem Fall, sexuelle Belästigung sowie Missbrauch von drei wehrlosen Frauen vor, die aufgrund ihres Zustandes - sie standen laut Anklage entweder unter dem Einfluss von Substanzen oder schliefen bzw. befanden sich im Halbschlaf - dem Mann hilflos ausgeliefert waren. Am Donnerstagnachmittag dehnte die Staatsanwältin dann die Anklage aus: ein weiteres Opfer habe sich am 15. Oktober bei der Polizei gemeldet und davon berichtet, dass sie im Herbst 2022 mit dem Angeklagten Drogen und Alkohol konsumiert und ihn dann nach Hause begleitet hätte. Dort sei sie "wie weggeschossen" gewesen - der Mann soll diesen Zustand ausgenutzt haben, um mit der ebenfalls Wehrlosen Geschlechtsverkehr zu vollziehen.
"Habe gehofft, dass sie Lust bekommt"
Zu der Vergewaltigung soll es im März 2024 auf der Toiletten-Anlage in einem Club gekommen sein. Der Angeklagte soll sich mit der Betroffenen - einer 23-Jährigen, die er seit zwei Jahren von Sexpositiv-Partys kannte, in eine Kabine begeben, ihr dort einen Stoß versetzt, sie fixiert und zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung gezwungen haben.
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Der Angeklagte stellte das wie sämtliche gegen ihn erhobenen Anschuldigungen in Abrede: "Sie war eine gute, liebe Freundin von mir. Ich könnte ihr nie Gewalt antun. Ich bin prinzipiell kein gewalttätiger Mensch." Er habe sie zwar gefragt, ob sie Lust auf Sex hätte, das hätte die 23-Jährige aber abgelehnt, "weil sie frisch in einer monogamen Beziehung war." Er habe mit ihrem Einverständnis nach ihrer Brust gegriffen und sich an ihr gerieben: "Ich habe gehofft, dass sie durch diesen Prozess doch Lust auf Sex bekommt." Das sei nicht passiert, nach wenigen Sekunden habe sie ihn aufgefordert, damit aufzuhören. Das habe er gemacht. Mehr sei nicht passiert.
"Hatte eine Woche später noch blaue Flecken"
Die 23-Jährige schilderte das anschließend in ihrer Zeugenaussage, während der die Öffentlichkeit zum Erstaunen einiger Medienschaffenden nicht ausgeschlossen wurde, in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Schwurgerichtssaal diametral anders. Ihrer Darstellung zufolge hatte sie der 29-Jährige unter dem Vorwand, ihm gehe es nicht gut, auf die Herren-Toilette gelockt. Dort habe sie sich um ihn kümmern wollen. Er sei dann aber zudringlich geworden. Sie habe ihn wegzustoßen versucht, was ihr nicht gelungen sei. Er habe ihren Widerstand mit Gewalt überwunden: "Ich hatte noch eine Woche später blaue Flecken."
Ihre zeugenschaftliche Befragung nahm die 23-Jährige sichtlich mit. Nachdem diese vorbei war, weinte die junge Frau vor dem Verhandlungssaal, ehe sie sich wieder gesammelt hatte.
Der Angeklagte sitzt seit Ende Juli wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft. Die verfahrensgegenständlichen Missbrauchshandlungen sollen sich zwischen April 2021 und März 2024 ereignet haben, wobei sich unter den Betroffenen auch die Ex-Freundin des Mannes befindet, der hauptberuflich als Finanz-Controller tätig war. Die Ex sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus - einem entsprechenden Antrag ihrer Rechtsvertreterin gab der Schöffensenat Folge. Laut Anklage soll der Mann mit ihr gegen ihren Willen ein Mal Sex gehabt haben.
"Würde ihr nie etwas antun"
"Unfassbar. Ich mochte die Frau sehr gern. Ich würde ihr nie etwas antun", wies der 29-Jährige diese Darstellung zurück. Er habe mit ihr öfters "Morgensex" gehabt: "Sie mochte das. Dass das jetzt als Angriff verstanden wird, ist furchtbar für mich." Er behauptete, diese Frau - sie war ebenfalls als DJ tätig - sei von Frederika Ferková unter Druck gesetzt worden, sich gegen ihn zu positionieren und ihn "öffentlich an den Pranger zu stellen".
Der DJ und sämtliche von der Anklage umfassten Frauen verkehrten auf und kannten einander über Sexpositiv-Partys, was die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag thematisierte. Auf diesen Veranstaltungen gehe es freizügig zu, die Teilnehmenden seien sexuell aufgeschlossen: "In diesen geschützten Räumen gibt es aber strenge Regeln. Konsens und Einwilligung sind Voraussetzungen, dass man einander näher kommt." Man müsse auf solchen Partys "nicht unsterblich in jemanden verliebt sein, dass es zum Geschlechtsverkehr kommt", aber mit Einlasskontrollen und eigenen Awareness-Teams würde dafür Sorge getragen, dass es in Darkrooms zu keinen unerwünschten Übergriffen kommt, betonte die Staatsanwältin.
"An diese Regeln halten sich aber nicht alle", bemerkte Staatsanwältin Fent. Der Angeklagte sei als DJ und Partygast in der Sexpositiv-Szene dafür bekannt gewesen, "dass er ein Nein nicht akzeptiert. Er hat diese Überheblichkeit, dass er seinen Willen über den der anderen stellt." Im gegenständlichen Fall seien die Opfer hinsichtlich ihrer Haltung zur Sexualität zwar "offener. Aber sie sind noch lange kein Selbstbedienungsladen für den Angeklagten."
"Moralisch daneben benommen"
Verteidiger Sascha Flatz räumte ein, sein Mandant habe sich "moralisch daneben benommen". Er sei auf Sexpositiv-Partys das eine oder andere Mal vielleicht zu offensiv gewesen, das sehe er jetzt ein: "Er ist ein junger, intelligenter Mensch, der sich hinterfragt. Er ist das Gegenteil von dem, was die Staatsanwaltschaft darzustellen versucht." In strafrechtlicher Hinsicht habe sich der Mann nämlich nichts zuschulden kommen lassen: "Das ist kein gewalttätiger Mensch. Das ist ein anständiger Bürger."
Der Angeklagte betonte in seiner Beschuldigteneinvernahme, die Aktivistin Ferková habe mit ihrem auf Instagram veröffentlichten Aufruf, Übergriffe in der Techno-Szene öffentlich zu machen, einen Shitstorm gegen ihn losgetreten. Die "ganze Szene" habe sich danach gegen ihn verschworen und ihm "beruflich und privat" geschadet. Die #TechnoMeToo-Bewegung habe "viele Männer zerstört". Auch er könne seine Tätigkeit als DJ nicht mehr ausüben: "Aus feministischen Überlegungen wollen die Frauen, dass ich ins Gefängnis komme."
Die Verhandlung wurde zur Einvernahme von vier weiteren Betroffenen und zusätzlicher Zeuginnen und Zeugen auf kommenden Freitag vertagt. Im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs drohen dem Mann zwei bis zehn Jahre Haft. Der 29-Jährige weist bisher keine Vorstrafen auf.
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