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Großer Wurf oder "Fußfessel"? AI  Act der EU auf Schiene

Von Martin Roithner, 04. Jänner 2024, 11:19 Uhr
Großer Wurf oder  "Fußfessel"? AI Act der EU auf Schiene
Die Europäische Union gibt sich Regeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Das spaltet die Meinungen in der Techbranche. Bild: APA/AFP/Patrick T. Fallon

Die EU-Institutionen einigten sich auf die Grundzüge eines Gesetzes zur Regulierung künstlicher Intelligenz. Das freut nicht jeden.

"Deal!" Kurz und knapp kommentierte EU-Digitalkommissar Thierry Breton Mitte Dezember auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) die Einigung auf den "AI Act". Nach 38 Stunden Verhandlungen verständigten sich Unterhändler von Europaparlament und EU-Staaten in Grundzügen auf das global erste umfassende Gesetz zur Regulierung künstlicher Intelligenz (KI).

Die Einigung sei "historisch", denn Europa setze als erster Kontinent klare Regeln für KI, sagte Breton. "Der AI Act ist die Startrampe für europäische Start-ups und Forscher, um das globale KI-Wettrennen anzuführen." Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ergänzte, das Rahmenwerk würde "Sicherheit und Grundrechte von Menschen und Unternehmen" schützen.

Um das Gesetz war lange gerungen worden. Erste Ideen dazu hatte es schon 2019 gegeben, im April 2021 schlug die EU-Kommission das Gesetz vor. Nach der politischen Einigung müssen noch technische Details erarbeitet werden.

Im Kern sieht der AI Act vor, dass KI-Systeme künftig in verschiedene Risikogruppen eingeteilt werden sollen. Vereinfacht formuliert: Je höher die potenziellen Gefahren einer Anwendung sind, desto höher sollen die Anforderungen an die Anbieter sein. Nicht die Technik an sich soll reguliert werden, sondern die Anwendung von KI.

Kein "Social Scoring" erlaubt

Verboten werden soll etwa das "Social Scoring". Dabei geht es um die Bewertung von Bürgern durch KI wegen sozialen Verhaltens. Das ist in China seit Jahren gängige Praxis, die Kommunistische Partei vergibt damit Punkte für wünschenswertes Verhalten oder entzieht Zähler für negatives Verhalten. Wer ein zu niedriges Punktelevel erreicht, muss mit Einschränkungen im Alltag rechnen, etwa beim Zugang zu sozialen Diensten oder der Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche.

Das soll in Europa ebenso kein Thema sein wie "Hochrisiko-KI-Systeme", die zum Beispiel beim Job-Recruiting zum Einsatz kommen – etwa um Bewerber auszusortieren. Für Anwendungen, die wiederum nur ein begrenztes Risiko darstellen, soll es Transparenzpflichten geben, für jene mit minimalem Risiko keine weiteren Verpflichtungen.

Komplett verboten werden biometrische Kategorisierungssysteme, die sensible Merkmale wie etwa die sexuelle Orientierung oder religiöse Überzeugungen verwenden. Allerdings wird es Ausnahmen für biometrische Identifizierungen im öffentlichen Raum in Echtzeit geben, etwa bei der Gefahr eines Terroranschlags oder bei der gezielten Suche von Opfern von Menschenhandel. Um diesen Punkt wurde intensiv gerungen, das EU-Parlament wollte eigentlich ein komplettes Verbot.

Die Vereinbarung sieht auch Verbote zur Manipulation oder Ausnutzung von Schwächen der Nutzer durch KI vor. Konsumenten sollen das Recht bekommen, Beschwerden einzureichen und angemessene Antworten zu erhalten. Geldstrafen für Verstöße sollen zwischen 7,5 Millionen Euro und 35 Millionen Euro liegen.

"Schutz der Großen"

Unterschiedlich fielen die politischen Reaktionen zum AI Act aus. Während Österreichs Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky die Einigung als "wichtigen Meilenstein" sieht, der "europäische Werte und Grundrechte im digitalen Raum stärkt", äußerte Deutschlands Digitalminister Volker Wissing Bedenken: Das Regelwerk sei ein potenzieller "Schutz der Großen" und gefährde Innovationen in Europa. Die strengen Hürden würden europäische Hersteller zu stark benachteiligen.

Der Branchenverband DigitalEurope erklärte, die Vorgaben seien eine weitere Belastung für Firmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie bemängelte, die Wettbewerbsfähigkeit werde gefährdet, der AI Act sei eine Art "Fußfessel". Europa riskiere, den Anschluss an die weltweiten KI-Entwicklungen zu verlieren.

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Autor
Martin Roithner
Redakteur Wirtschaft
Martin Roithner
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5  Kommentare
5  Kommentare
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Gugelbua (33.009 Kommentare)
am 04.01.2024 14:46

den großen Wurf der EU wird andere Länder nicht abschrecken ihre Interessen
mit der KI durchzusetzen, sie kommt über die Hintertür schneller als gedacht😉

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Kodiak (1.309 Kommentare)
am 04.01.2024 15:53

Dieses Gesetz ist lächerlich. Die Inanspruchnahme einer KI ist vor allem eine Dienstleistung dritter, die sich hauptsächlich über das Internet abspielt.

Es ist jetzt schon fast unmöglich, das europäische Datenschutzgesetz in der EU gegenüber internationalen Konzernen durch zu setzten. Wie soll dann die Entwicklung und Verwendung von KI verhindert werden?

Das hört sich für mich nur nach Selbstbeschäftigung an. Die EU-Granden rühmen sich damit, die Besten beim Regulieren weltweit zu sein und erkennen nicht dass sie dabei der Wirtschaft und den Bürgen die Luft dabei abdrehen.

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dachbodenhexe (6.030 Kommentare)
am 04.01.2024 13:11

Dürfen die Bürger der einzelnen demokratischen Länder der EU darüber nicht selbst bestimmen???

Es kristallisiert sich immer mehr und mehr heraus, dass die EU versucht die Demokratie in den einzelnen Länder mit diktatorischen Entscheidungen abzuschaffen!

Wollen die Menschen in Europa diese Bevormundung?

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vinzenz2015 (48.905 Kommentare)
am 04.01.2024 14:29

Wie wollen Sie die KI jetzt stoppen??

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Kodiak (1.309 Kommentare)
am 04.01.2024 12:24

Ich verstehe schon den ersten Absatz nicht:

Wie kann ein Gesetz, das im EU-Parlament von Europäern für Europäer beschlossen wird, "global" sein?

Oder sind diese Leute dort wirklich so überheblich und glauben, dass sich irgendein Land außerhalb der EU nur minimal darum scheren wird?

Sollte der Sachverhalt wirklich so sein, wie der BDI es darstellt, ist dies der nächste Schuss ins eigene Knie.
Die europäische Energiewende war der erst letzte.

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