Mit dem größten Spiegel der Welt auf der Suche nach außerirdischem Leben
In Chile entsteht mit dem European Extremely Large Telescope der Sehnsuchtsort für Astronomen und Ingenieure. Wird es auch der Ort, an dem wir Kontakt aufnehmen?
Fernando Comerón ist wohl der meistbeneidete Astronom der Welt. Er leitet die Repräsentanz der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile, wo derzeit das größte optische Teleskop der Welt gebaut wird, das European Extremely Large Telescope (E-ELT). Der Astrophysiker war diese Woche als Juror für den Ars-Electronica-Preis in Linz zu Gast.
Warum baut die in München beheimatete ESO ihr Fernrohr ausgerechnet auf einem Berg in Chile?
Fernando Comerón: Astronomen brauchen klare Nächte, eine stabile Atmosphäre, dunklen Himmel und wenig Lichtverschmutzung. Letzteres garantiert Chile langfristig per Gesetz, um die guten Bedingungen für internationale Observatorien langfristig zu erhalten. Die Kombination natürlicher und politischer Bedingungen macht Chile zum bevorzugten Ort.
Wie weit ist man mit dem Bau des E-ELT?
Vor bald einem Jahr wurde begonnen, eine Straße auf den Berg zu bauen und den Bauplatz einzuebnen. Es ist geplant, dass das beste Observatorium der Welt zwischen 2020 und 2024 in Betrieb geht. Der Zeitpunkt hängt auch noch davon ab, wann das James-Webb-Space-Teleskop der NASA im Einsatz ist. Es soll 2018 ins All starten.
Warum brauchen wir ein teures Teleskop im All und ein teures auf der Erde?
Weil sie unterschiedliche Dinge ermöglichen. Der Vorteil von Webb ist, dass es sich außerhalb der Atmosphäre befindet und im Bereich des infraroten Lichts arbeiten kann. Die Ergebnisse erdgebundener Infrarot-Teleskope werden von der Atmosphäre negativ beeinflusst. Wir haben derzeit das Hubble-Teleskop im All und große Teleskope mit Spiegeldurchmessern von acht bis zehn Metern auf der Erde. Mit Webb und E-ELT steigern wir die Leistung um den Faktor vier. Dazu kommt die Steigerung in der optischen Qualität. Das E-ELT kann atmosphärische Turbulenzen herausfiltern.
Stimmt es, dass unter anderen österreichische Forscher an diesem Spiegel-Korrekturprozess arbeiten?
Ja, an diesem sehr wichtigen Bereich arbeiten mehrere Arbeitsgruppen aus Österreich, darunter auch Mathematiker aus Linz.
Wie weit in die Vergangenheit kann das E-ELT zurückblicken?
Die großen Teleskope können bereits in die Kinderstube des Universums blicken und erste Lichtstrukturen erkennen. Doch wir bekommen bloß undeutliche Bilder davon. Das E-ELT wird diese ersten Strukturen, diese protogalaktischen Fragmente des ein paar hundert Millionen Jahre jungen Universums detailliert sichtbar machen können.
Was erwarten Sie mit dem E-ELT sonst noch zu sehen? E.T.?
Nicht in Form dieser Science-fiction-Vorstellung. Der vielleicht interessanteste Fokus des E-ELT liegt in der Suche nach erdähnlichen Planeten. Das ambitionierteste Vorhaben, das Konsequenzen weit über die Wissenschaft hinaus haben und die Sicht auf uns selbst zutiefst verändern würde, ist die Suche nach Hinweisen auf Leben im Universum. Das E-ELT könnte die liefern.
Wie?
Das Teleskop wird über die Möglichkeit verfügen, die Atmosphäre von Erdzwillingen zu analysieren. Pflanzliche oder bakterielle Aktivitäten auf einem Planeten modifizieren die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre und hinterlassen Marker, wie Sauerstoff, Kohlendioxid oder Methan.
Wie viel werden Bau und Betrieb des E-ELT kosten?
Die Errichtung wird etwa eine Milliarde Euro kosten. Die James-Webb-Mission kostet das Zehnfache. Wir rechnen mit Betriebskosten für das E-ELT von dreißig Millionen Euro pro Jahr.