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Faszination Segeln gestern und heute

Von Klaus Buttinger, 21. September 2019, 00:04 Uhr
Faszination Segeln gestern und heute
Bild: colourbox

Exakt 500 Jahre ist es her, dass Ferdinand Magellans Flotte aufbrach. Nur eines der fünf Schiffe sollte – ungeplant – die erste Weltumsegelung schaffen.

Auf dem eigenen Schiff die Welt zu erkunden, ja vielleicht sie zu umrunden, ist für viele der vom Segelvirus Infizierten ein meerwasserfeuchter Traum. Neunzig Prozent jener, die versuchen, ihn auszuleben, begraben die Sehnsucht nach dem nie endenden Blauwasser unterm Kiel nach dem ersten richtigen Sturm. „Die wenigen Hartnäckigen schaffen es über den Atlantik“, sagt Claus Gintner, der zwischen 1989 und 1996 Mal solo die Welt umschiffte und in einer OÖN-Serie von seiner Reise berichtete. „Und dort gibt die Hälfte auf.“

Kein Satellitentelefon, kein Computer, kein GPS: Im Analogzeitalter war das Segeln deutlich schwieriger als heute, insbesondere die Navigation. „Die ersten beiden Jahre bin ich nur mit Kompass und Sextant gefahren“, sagt Gintner im Interview (siehe Seite 5). Er musste, wie er sagt, „die Sprache des Ozeans und der Wolken lernen“, eine Dünung erkennen, eine Strömung sehen.

Fähigkeiten, die den professionellen Seeleuten im 16. Jahrhundert durchaus vertraut waren. Dazu kamen ungeheuerlicher Mut, enormes Durchhaltevermögen, starker Entdeckungsdrang und die Aussicht auf Gewinn – Stichwort Gold und Gewürze. In diesem Licht brach am 20. September 1519 eine Flotte von fünf Schiffen mit 230 Mann Besatzung von Spanien auf mit dem Ziel, die Gewürzinseln auf der Westroute zu erreichen. Es sollten vier Desaster und ein teurer Erfolg werden.

Die ungeplante Weltumsegelung
Magellans Tod auf den Philippinen: Holzschnitt aus dem 16. Jhdt. Bild: Archiv

Die ungeplante Weltumsegelung

Mit dem Tod war zu rechnen, mit Skorbut sowieso. Seeleute, die sich vor 500 Jahren auf die Langstrecken wagten, gingen ein wahnsinnig hohes Risiko ein. Davon erzählt die Fahrt von Magellans Flotte.

Eine riesige Leistung", kommentiert Weltumsegler Claus Gintner (Interview rechts) die Geschichte von Magellan und seinen Männern. "Himmelfahrtskommando" könnte man auch dazu sagen.

Ferdinand Magellan, geboren in Portugal, schließt mit dem kastilischen König, Karl I., einen Vertrag darüber, eine Handelsexpedition zu den Molukken (Gewürzinseln, Indonesien) auszurüsten. Eines seiner fünf Schiffe, die Victoria, wird fast drei Jahre später als erstes Schiff die Welt umrundet haben. Nur 18 von 239 Seeleuten überlebten diesen Höllentrip. Magellan war nicht darunter. Er starb während eines Kampfes gegen Eingeborene auf den Philippinen. Hier die Geschichte seiner fünf Schiffe:

Santiago: Die Armada Magellans bricht am 20. September 1519 auf und erreicht nach langer Flaute auf dem Atlantik Anfang Dezember Südamerika. Man erkundet die Küste südwärts nach einer Passage durch den Kontinent. Die Vorräte werden rationiert. Teile der Mannschaft meutern wegen Hunger, Krankheiten und Erschöpfung. Magellan kann den Aufstand niederschlagen. Einen Kapitän lässt er erschießen, zwei Meuterer aussetzen. Die Santiago wird zur Erkundung ausgeschickt und erleidet in der Mündung des Rio Santa Cruz Schiffbruch.

 

San Antonio: Kurz vor Entdeckung der Durchfahrt ins Südmeer, die später als Magellanstraße bekannte Verbindung, macht sich auf dem Flaggschiff der Flotte, der San Antonio, Unmut breit. Von einer Erkundungsfahrt kehrt sie nicht mehr zurück. Wieder meutern die Seeleute und kehren um. Unter dem Kommando des Piloten Estevão Gómez erreicht die San Antonio am 6. Mai 1521 Spanien.

Concepción: Die Überquerung des Pazifiks wird zum Horror. Fast vier Monate kein Land in Sicht. Ein Großteil der Mannschaft leidet unter Skorbut. Man isst in Salzwasser gedünstetes Leder oder Suppe aus Sägespänen. 19 Seeleute sterben. Endlich erreichen die drei Schiffe die Marianen. Nachdem man Vorräte aufgenommen hat, geht es weiter zu den Philippinen. Dort geraten die Europäer mit ihrem Missionswillen in Konflikt mit den Einheimischen. Bei Gefechten sterben 35 Mann, darunter Magellan: Er wird von einem Giftpfeil und Lanzen getroffen. Die verbliebene Mannschaft ist zu klein, um drei Schiffe zu besetzen. Man teilt sie auf zwei Schiffe auf und versenkt die Concepción.

Trinidad: Endlich erreichen die Schiffe Borneo und am 8. November 1521 eine der Molukken-Inseln, wo Gewürze eingetauscht werden. Gómez de Espinosa wird zum neuen Generalkapitän gewählt. Drei Wochen später segelt die Victoria los, die Trinidad ist leckgeschlagen und muss repariert werden. Erst im April startet sie mit 55 Mann an Bord Richtung Südafrika. Sie muss jedoch wegen ungünstiger Winde umkehren. Nur noch 25 Mann leben an Bord, als sich Espinosa auf der indonesischen Insel Halmahera den damals mit den Spaniern verfeindeten Portugiesen ergibt.

Victoria: Unter dem Kommando von Juan Sebastián Elcano macht sich die Victoria am 11. Februar 1522 auf einem schwierigen Südkurs an die Durchquerung des Indischen Ozeans. 12 Wochen braucht sie, um das Kap der Guten Hoffnung zu bewältigen. Bis zu den Kapverden büßt das Schiff seinen Vormast und 21 Besatzungsmitglieder ein. Beim Versuch, Sklaven und Vorräte an Bord zu holen, geraten 13 Seemänner in portugiesische Gefangenschaft. Der Rest der Mannschaft flüchtet und wagt die letzte Etappe nach Spanien. Am 6. September 1522 erreicht die Victoria Sanlúcar. 18 Männer haben überlebt. Die erste Weltumsegelung ist ... passiert: in zwei Jahren, elf Monaten und zwei Wochen.

Fazit: Die Fahrt endete mit finanziellem Verlust. Die Ehre, die Welt als Erster umrundet zu haben, gebührt Elcano. Die Meerenge zwischen Südamerika und Feuerland wird seit Mitte des 16. Jahrhunderts als "Estrecho de Magallanes" (Magellanstraße) bezeichnet. Erst durch Berichte im 18. Jhdt. (Pigafetta, Humboldt) stieg der Ruhm Magellans auf das heutige Niveau.

„Wir haben alles, was wir brauchen. Warum raunzen?“

Claus Gintner (76) war der erste oberösterreichische Einhandsegler, der die Welt umrundete (1989–1996). OÖN-Leser von damals erinnern sich an seine spannenden Reiseberichte. Fünfmal wurde er von Piraten überfallen. Heute lebt der in Urfahr Aufgewachsene in Kefermarkt.

"Wir haben alles, was wir brauchen. Warum raunzen?"
Claus Gintner mit Souvenirs Bild: but

OÖN: Was hat Ihre Weltreise in Ihnen verändert?

Gintner: Sehr viel. Etwa dass ich die Werte, die es bei uns in Österreich gibt – die gute Funktion der Gesellschaft – unglaublich hoch schätze. Ich bin außerdem nachsichtiger geworden und kann die Fehler anderer leichter verzeihen. Es ist doch alles nicht so schlimm. Wenn jemand ein bisschen anders ist, dann ist er halt anders. Was mich auf meiner Reise erstaunt hat, war, dass die sogenannten Wilden, die Eingeborenen, irgendwo in Papua-Neuguinea, viel mehr Kultur haben, als wir glauben.

Relativiert sich viel, wenn man viel gesehen hat?

Genau. Wir leben in einem Paradies, wo wir alles haben, was wir brauchen. Schauen Sie doch einmal über die schönen Hügel im Mühlviertel! Eigentlich unvorstellbar, dass man da raunzt.

Was ist für Sie weniger wichtig geworden?

Sicher kann ich sagen, dass Geld für mich wenig Wert hat. Dass ich eine Pension habe, schätze ich sehr, nach dem Motto: Und ist das Einkommen auch noch so klein, regelmäßig muss es sein. Geld an sich strebe ich nicht an. Geld verbessert die Lebensqualität nicht. Im Gegenteil: Jene, die dem Geld nachjagen, laufen Gefahr, dass sie Schurken werden.

Segeln Sie noch?

Bis vor ein paar Monaten bin ich noch in der Adria gesegelt, dann habe ich damit aufgehört. In meinem Alter kann ich nicht mehr herumhüpfen wie ein Junger. Aber auf einem Schiff braucht man einen sicheren Tritt, sonst kann man sich verletzen, und den habe ich nicht mehr. Was ich noch mache, ist, dass ich Vorträge halte über das Segeln und den Sinn des Lebens.

Der da wäre?

Man lebt, um das Leben zu genießen. Man lebt nicht, um zu arbeiten. Das hat nichts mit Bequemlichkeit zu tun, denn das ist der Tod jeder Kreativität. Man muss sich fragen: Was kann ich tun, um Freude am Leben zu haben?

„Wir halten unseren Carbon Footprint minimal“

"Wir halten unseren Carbon Footprint minimal"
Christian Feldbauer und Birgit Hackl mit Schiffskatze Leeloo auf der "Pitufa" Bild: privat

Birgit Hackl (41), Christian Feldbauer (43), beide gebürtige Oberösterreicher, kauften 2008 eine Sparkman & Stephens Huisman 41 Alu-Slup, sammelten im Mittelmeer erste Erfahrungen und brachen 2011 in die Karibik auf. „Uns geht es weniger ums Segeln als ums Reisen: Mit einem Segelboot lebt man nah an der Natur, dank alternativer Energiequellen halten wir unseren Carbon Footprint minimal“, schreibt Birgit aus Moorea (Nachbarinsel von Tahiti). „Seit sechs Jahren sind wir im Pazifik unterwegs, die landschaftlich vielfältigen Archipele und die unglaublich gastfreundlichen Polynesier haben es uns angetan.“
www.de.pitufa.at

Unheilbare Seenomaden

Unheilbare Seenomaden
Doris Renoldner, Wolfgang Slanec Bild: privat

Nicht nur in der Südsee fühlen sich die Seenomaden wohl. Doris Renoldner (52) und Wolfgang Slanec (64) aus Wien sind seit 1989 gemeinsam unterwegs, auf dem Schiff und in Vortragssälen. Mehrere Bücher über ihre Reisen sind erschienen. Ihr jüngster Trip führte sie durch die Nordwestpassage. 
www.seenomaden.at

Blauwassersegeln vom Allerfeinsten

Claudia (42) und Jürgen Kirchberger (46) sind mit ihrer selbst renovierten Stahlketsch „La Belle Epoque“ die meiste Zeit in herausfordernden Regionen unterwegs. 2010 begannen sie ihre Reise ins Ungewisse auf der Donau bei Landshaag, von wo sie über Flüsse und Kanäle das Meer in Bremerhaven erreichten.

Die Stroheimer durchfuhren als zweite Oberösterreicher die Nordwestpassage. Sie verbrachten zwei Monate in der Arktis. Ihr Wissen steckt im Buch „Segeln in den Hohen Breiten.“ Die jüngste Tour führte die zwei durch den Kaledonischen Kanal. Den Winter verbringen sie heuer daheim.
www.fortgeblasen.at

Unfreiwillig um die Welt

Unfreiwillig um die Welt
Christoph Carl Fernberger aus Vorchdorf

Der erste Weltumsegler aus Österreich kam aus Oberösterreich: der Vorchdorfer Christoph Carl Fernberger, 1596 geboren auf Schloss Eggenberg. Er fuhr um die Welt wegen eines Missverständnisses, da er 1621 in Holland das falsche Schiff bestiegen hatte: nicht eines nach Venedig, sondern eines nach Westafrika. Bei den Kapverdischen Inseln zerschellte das Schiff. Nach zwei Wochen wurden die 29 Überlebenden von einem Schiff aufgelesen, das durch die Magellanstraße Indonesien ansteuerte. Es stand in Diensten der Niederländischen Ostindien-Kompanie, für die sich Fernberger verpflichten musste. Er gründete einen Hausstand in Jakarta, segelte nach China und Persien. Dort erreichte ihn 1627 das Gerücht, Österreich sei von Osmanen erobert worden, weshalb er nach Europa zurückkehrte – nach sieben Jahren. Fernberger starb 1653.

 

Alleine um die ganze Welt

Erste Weltumrundung auf einem Einhandsegler

Alleine um die ganze Welt
Joshua Slocum, Kapitän mit Einsamkeitswunsch Bild: OON

1895, im Alter von 51 Jahren, brach der US-Seemann Joshua A. Slocum von Boston aus zu einer Weltumsegelung auf, von der er als Reiseschriftsteller berichtete. Zuvor hatte er einen alten Austernschiffer zu einer Yawl umgebaut, damit er sie alleine segeln konnte. Mit seiner „Spray“ fuhr er anfangs nach Gibraltar, entschied sich dort doch für eine Umrundung in westlicher Richtung (Kapverden, Brasilien, Magellanstraße). Über die Robinson-Inseln und Samoa erreichte er Australien. Er durchquerte den südlichen Indischen Ozean, gelangte nach Südafrika und umrundete das Kap der Guten Hoffnung. Sein Kurs führte ihn über St. Helena, Trinidad, Grenada und Dominica nach Antigua, die letzte Etappe nach Rhode Island. Slocum war drei Jahre und zwei Monate unterwegs gewesen und hatte 46.000 Meilen zurückgelegt. Sein Reisebericht „Sailing Alone Around the World“ wurde zu einem Klassiker der Reiseliteratur.

 

Immer schneller um den Globus

Als jüngste Solo-Weltumseglerin machte Laura Dekker ab 2009 Schlagzeilen. Die Seglerin mit niederländisch-deutsch-neuseeländischen Wurzeln war damals erst 13 Jahre alt. Auf Antrag des niederländischen Amtes für Kinderschutz wurde ihr Start von Gerichts wegen untersagt. Auf einer Ketsch brach sie 2010 dann doch auf und umrundete den Globus solo in westlicher Richtung mit Pausen und in eineinhalb Jahren.

Immer schneller um den Globus
Laura Dekker brach mit 14 zur Solo-Weltreise auf. Bild: EPA

Bereits 1968/69 schaffte der Brite Robin Knox-Johnston die erste Nonstop-Einhandumsegelung. Er brachte 30.123 Seemeilen und 312 Tage allein auf dem Meer zu.

Den Weltrekord für eine Einhand-Weltumsegelung hält der Franzose Jules Verne Joyon seit 2008: 57 Tage, 13 Stunden, 34 Minuten.

Mit fünfköpfiger Crew gelang Joyon 2017 die bisher schnellste Weltumsegelung: 40 Tage, 23 Stunden, 30 Minuten.

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Autor
Klaus Buttinger
Redakteur Magazin
Klaus Buttinger
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2  Kommentare
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Mensch_Hannes (83 Kommentare)
am 24.09.2019 11:33

Sehr guter Bericht.
Bei Vorträge mit Gintner und den Kirchbergern habe ich teilgenommen.
Ihr hätten da noch "Tres Hombres" erwähnen können.
Die Segeln mit einem Transportsegler regelmäßig über den Atlantik mit Handelswaren!
https://www.treshombres.at/
Und man kann da auch aktiv mitsegeln!

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Nacharbeiter (7.603 Kommentare)
am 23.09.2019 09:07

DANKE, faszinierender Bericht! Was wurde aus dem desertierten Schiff und seiner Besatzung, die nach Spanien zurückkehrte?

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