Die fünf vergessenen Konflikte im Jahr 2024
PARIS. Der Ukraine-Krieg und die Kämpfe im Nahen Osten waren dieses Jahr ständig in den Schlagzeilen. Kaum beachtet von der Weltöffentlichkeit sind aber auch andere Weltregionen von folgenschweren bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen.
Fünf Konflikte, die 2024 wenig Beachtung fanden:
Heftige Kämpfe im Sudan
Im Sudan bekämpfen sich seit April 2023 Paramilitärs und die Armee. Laut den Vereinten Nationen handelt es sich um eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der jüngeren Geschichte. Schätzungsweise 20.000 bis 150.000 Todesopfer sowie elf bis zwölf Millionen Vertriebene hatte der Konflikt bereits zur Folge. Am Dienstag erklärte das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), dass mittlerweile fast 10.000 Menschen pro Tag ins Nachbarland Südsudan fliehen. Das nordostafrikanische Land leidet zudem unter einer Hungersnot: Fast 26 Millionen Menschen - etwa die Hälfte der Bevölkerung - sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen.
Den Konfliktparteien werden Kriegsverbrechen vorgeworfen: Sie griffen demnach wiederholt gezielt die Zivilbevölkerung an. Ende Oktober schlugen die Vereinten Nationen Alarm wegen des erschreckenden Ausmaßes der sexuellen Gewalt im Zuge des Konflikts. Vergewaltigungen, darunter auch Gruppenvergewaltigungen, sind demnach "verbreitet".
Aufflammender Konflikt im Kongo
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo flammte Ende des Jahres 2021 wieder der Aufstand der M23 ("Bewegung 23. März") auf. Die von Ruanda unterstützten M23-Kämpfer konnten große Gebiete erobern und den kongolesischen Streitkräften und mit ihnen verbündeten Milizen dabei herbe Verluste zufügen.
Das verschärft die seit dreißig Jahren herrschende humanitäre Krise in Nord-Kivu im Osten des Landes. Diese Region ist wegen ihrer Bodenschätze strategisch bedeutsam. Hunderttausende Vertriebene drängen sich in Notunterkünften rund um die Provinzhauptstadt Goma.
Durch die Unterzeichnung eines Waffenstillstands Anfang August gelang es zunächst, die Frontlinie einzufrieren. Doch Ende Oktober gingen M23-Gruppen erneut in die Offensive und eroberten mehrere Ortschaften. Anfang Dezember brachen erneut intensive Kämpfe aus.
In Sahelzone leiden viele Menschen unter Jihadisten
In der Sahelzone leiden viele Menschen unter Angriffen von Jihadisten. Durch den gewaltsamen Aufstand von Boko Haram, eine der größten Jihadistengruppen der Region, wurden seit 2009 in Nigeria etwa 40.000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen weitere vertrieben. Die Gewalt griff außerdem auf die angrenzenden Länder über.
Auch der Tschad leidet in der Region rund um den Tschadsee unter Angriffen von Boko Haram und deren Ableger ISWAP. Die Armee startete Ende Oktober eine Offensive, um Boko Harams "Streitmacht auszulöschen". Ende November verkündete der Tschad das Ende seiner verteidigungspolitischen Zusammenarbeit mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich - wie in den vergangenen Jahren schon einige andere Länder in der Sahelzone. Damit wächst der russische Einfluss in der Region.
Mali, Burkina Faso und Niger sind im Dreiländereck zwischen den Staaten ebenfalls mit Sahel-Jihadisten konfrontiert, die Verbindungen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und zum Terrornetzwerk Al-Kaida unterhalten. Nach einer Reihe von Staatsstreichen zwischen 2020 und 2023 werden die drei Länder durch Militärregierungen geführt.
Innerhalb der neu gebildeten Allianz der Sahelstaaten wollen sie gemeinsam gegen die jihadistischen Bedrohung vorgehen, bisher ohne durchschlagenden Erfolg. In Burkina Faso führten die Angriffe der Dschihadisten seit Jänner zu fast 7000 Todesopfern, wie die Nichtregierungsorganisation ACLED erklärte. Im Niger waren es demnach 1.500 und in Mali mehr als 3600 Todesopfer.
Instabilität auf Haiti
Haiti leidet seit Jahrzehnten unter politischer Instabilität. Die in dem Karibikstaat bereits weit verbreitete Bandengewalt hat sich seit Februar verschlimmert. Die Banden kontrollieren etwa 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince. Seit Jahresbeginn verzeichnete die UNO mehr als 5.000 Todesfälle aufgrund der Gewalt und betonte, die tatsächliche Zahl liege "wahrscheinlich höher".
Menschen werden mit Macheten verstümmelt, gesteinigt, enthauptet, lebendig verbrannt oder lebendig begraben. Auch vor Kindern macht die Gewalt nicht Halt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mussten mehr als 700.000 Menschen, die Hälfte davon Kinder, vor den Schrecken fliehen. Mit Unterstützung der UNO und der USA begann in diesem Sommer der Einsatz einer Polizeiunterstützungsmission unter der Führung Kenias.
Blutiger Bürgerkrieg in Myanmar
In Myanmar herrscht seit 2021 ein blutiger Bürgerkrieg. Der damalige Putsch der Militärjunta gegen die demokratisch gewählte Regierung hatte eine Revolte ausgelöst. Nach UNO-Angaben starben in dem Bürgerkrieg bereits mehr als 5.300 Zivilisten, mehr als 3,3 Millionen Menschen wurden vertrieben. Im vergangenen Jahr verschärfte sich der Konflikt weiter.
In den vergangenen Monaten griffen Rebellen Mandalay, die zweitgrößte Stadt des Landes, mit Raketen und Drohnen an. Sie erlangten Ende Oktober die Kontrolle über die Verbindungsstraße der Stadt nach China, dem wichtigsten Handelspartner des Landes.
Die Rebellen entziehen der Junta dadurch wichtige Steuereinnahmen und bedrohen Stützpunkte des Militärjunta im Zentrum des Landes. Angesichts dessen forderte die Junta Ende September die rund ein Dutzend bewaffneten Gruppen auf, Friedensgespräche aufzunehmen. Zwei Rebellengruppen erklärten sich zu Gesprächen bereit, ein Durchbruch ist derzeit aber nicht absehbar.