Mehr als 1.200 Tote in Region Kiew entdeckt
KIEW. In der Region um die ukrainische Hauptstadt Kiew sind nach ukrainischen Angaben bisher mehr als 1.200 Tote gefunden worden.
Staatsanwältin Iryna Wenediktowa nannte im Interview mit dem britischen Sender Sky News am Sonntag die Zahl von 1.222 geborgenen Toten "allein in der Region Kiew". Den russischen Truppen warf sie erneut schwere Kriegsverbrechen vor.
Die russische Armee hatte sich vor rund einer Woche aus der Region rings um die ukrainische Hauptstadt Kiew zurückgezogen und stellt sich derzeit im Osten der Ukraine neu auf. In den nahe Kiew gelegenen Orten herrschten nach dem Abzug der russischen Truppen dramatische Zustände.
Moskau bestreitet Verantwortung
Erste Berichte am vergangenen Wochenende über möglicherweise Hunderte getötete Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha hatten international für Entsetzen gesorgt. Im Laufe der Woche häuften sich ähnliche Schilderungen aus weiteren Orten wie Irpin oder Borodjanka.
Moskau bestreitet jegliche Verantwortung für die Tötungen und spricht von gefälschten Fotos und Videos. Material wie Satellitenaufnahmen und Mitschnitte von abgehörter Funkkommunikation legen aber eine Verantwortung russischer Soldaten nahe.
"Hauptkriegsverbrecher dieses Jahrhunderts"
In dem Interview mit dem britischen Sender kündigte Staatsanwältin Wenediktowa auch Ermittlungen zu 5.600 mutmaßlichen Kriegsverbrechen gegen 500 Verdächtige aus den Reihen des russischen Militärs und der Regierung in Moskau an, unter ihnen der Kreml-Chef. "Wladimir Putin ist der Hauptkriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts", sagte Wenediktowa.
Sie verwies auch auf den Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk in der Ostukraine, bei dem am Freitag nach ukrainischen Angaben 52 Menschen getötet worden waren. Es lägen Beweise dafür vor, dass Russland hinter dem Angriff stecke, sagte die Staatsanwältin. Auch hier hatte Moskau die Verantwortung von sich gewiesen und die ukrainische Armee beschuldigt.
"Das ist eindeutig Genozid"
Die prominente US-Republikanerin Liz Cheney hat die Gräueltaten Russlands im Ukraine-Krieg als Völkermord bezeichnet. "Das ist eindeutig Genozid", sagte Cheney am Sonntag dem Fernsehsender CNN. "Ich denke, dass Europa verstehen und sich mit der Tatsache auseinandersetzen muss, dass es sich um einen Völkermord handelt." Die Europäer müssten auch begreifen, dass sie diesen Feldzug von Russlands Präsident Putin finanzierten.
Cheney räumte ein, sie verstehe die wirtschaftlichen Folgen für die westeuropäischen Länder, wenn sie einen Importstopp für russisches Öl und Gas verhängen würden, aber sie müssten es tun. "Jeden einzelnen Tag, an dem sie weiterhin russisches Öl und Gas importieren, finanzieren sie Putins Völkermord in der Ukraine", beklagte sie. Liz Cheney, die Tochter des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney, gehört zu den prominenten Köpfen der Republikanischen Partei.
Video: ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet aus der Ukraine über die aktuellen Entwicklungen.