Bargeld bis Wasser: Verfassungsrecht als beliebte Spielwiese der Politik
WIEN. Vor der Nationalratswahl werden wieder Wünsche nach Verfassungsbestimmungen laut.
Der jüngste Vorstoß kam am Mittwoch von der ÖVP: Das "Recht auf Bargeld" solle mittels Verfassungsgesetz festgeschrieben werden (die OÖN berichteten). Die Freiheitlichen stimmten zu und verwiesen auf eigene diesbezügliche Anträge.
Verfassungsgesetzliche Bestimmungen müssen im Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Dennoch waren sie für die Regierenden stets eine Verlockung: anders als einfache Gesetze können sie nicht vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben werden, außer sie stehen im Widerspruch zu den in der Verfassung verankerten Grundprinzipien des Staates.
Beispiele für – auch tagespolitisch motivierte – Verfassungsbeschlüsse und -vorhaben gab es auch in der jüngsten Vergangenheit. Im Juli wurde im "freien Spiel der Kräfte" im Verfassungsrang beschlossen, dass Wasserversorgung nicht privatisiert werden darf. Anlass war auch, dass Heinz-Christian Strache im "Ibiza-Video" über eine mögliche Wasserprivatisierung geredet hatte.
Regierungs-Begehrlichkeiten
Auch die vergangene türkis-blaue Bundesregierung lieferte mehrere Beispiele für verfassungsrechtliche Begehrlichkeiten. Anfang Juli forderte Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger (VP), Klimaschutz als "Staatsziel" zu verankern. Eine ähnliche Forderung kam auch vom oberösterreichischen Grünen-Landesrat Rudi Anschober.
Umstritten ist die "Schuldenbremse", die ÖVP, FPÖ und Neos im Herbst neuerlich beantragen wollen – die SPÖ lehnt dies ab. Dem Staatsziel "Bekenntnis zur Sicherung und zum Ausbau des Wirtschaftsstandortes Österreich", das ebenfalls Türkis-Blau erreichen wollten, versagten im Juli die Neos die nötige Zustimmung. Massiven Widerstand erntete die Koalition mit dem Vorhaben, die sogenannte "Sicherungshaft" für abgelehnte Asylwerber über eine Bestimmung in der Bundesverfassung zu ermöglichen.
Verfassungsbestimmungen in hoher Zahl gab es während der Großen Koalitionen bis Ende der 1990er Jahre, als SPÖ und ÖVP ihre bequeme Verfassungsmehrheit für die "Absicherung" von Gesetzen ausnutzten. So stammte aus den 1960er-Jahren auch die Festschreibung des rot-schwarzen Proporzes in der höheren Schulverwaltung.
Erst 2008 wurde "entrümpelt" und rund 1000 Bestimmungen zum Teil gestrichen, zusammengefasst oder in einfache Gesetze übergeführt. Auch die Sozialpartner nutzten die politischen Zweidrittelmehrheiten: 2007 wurden die Wirtschafts- und die Arbeiterkammer auf deren Betreiben in der Verfassung verankert.
<<< Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Heinz Steinbock.
Spürbare Auswirkungen
Andere Änderungen hatten spürbare Auswirkungen auf die Bürger. So wurde 1993 das unterschiedliche gesetzliche Pensions-Antrittsalter (Männer 65, Frauen 60) und die schrittweise Angleichung erst ab 2024 bis 2033 verfassungsrechtlich verankert, nachdem der VfGH eine Ungleichheit festgestellt hatte.
Das "Demokratiepaket 2007" änderte die demokratischen Spielregeln. Auf allen Ebenen wurde das aktive Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt und die Briefwahl eingeführt, die Nationalrats-Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert. Beispiele für positive Änderungen der Verfassung sind unter anderem das Verbot von Diskriminierung und die Aufnahme der Menschenrechtskonvention.
Nach der Zwentendorf-Volksabstimmung 1978 wurde das sogenannte "Atomsperrgesetz" noch als einfache Regelung formuliert. 1999 wurde das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich einstimmig im Parlament beschlossen. Eine Gesamtänderung der Bundersverfassung, für die eine Volksabstimmung nötig ist, erfolgte nur einmal: anlässlich des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union. Seither sind in der Verfassung auch die Mitwirkungs-und Mitbestimmungsrechte in der EU geregelt.
Kritik an Bestrebungen, die Verfassung zu "überfrachten", kam zuletzt von Justizminister Clemens Jabloner. Im "profil"-Interview sagte er, die Verfassung solle "Maßstab für die Gesetze sein, nicht unmittelbarer Gesetzesinhalt".
Die Verfassung:
Die Bundesverfassung geht auf den Entwurf des Staatsrechtlers Hans Kelsen zurück und regelt in 152 Artikeln die staatliche und demokratische Organisation Österreichs. Änderungen von Bestimmungen oder deren Einfügung bzw. Aufhebung sind nur mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat möglich. Erstmals beschlossen wurde sie am 1. Oktober 1920 von der Konstituierenden Nationalversammlung und 1945 in der Fassung von 1929 für die Zweite Republik wieder beschlossen.
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Ich finde diese Wahl super ! Die Östereich haben dadurch die Chance über ihren weiteren sozialen Abstieg und die Aushöhlung der Demokratie abzustimmen.
Wenigstens wollen jetzt ein Gesetz machen, dass auf alle öffentlichen Gebäude Solaranlagen und Photovoltaik kommen soll.
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Diese Forderung stelle ich schon seit 15 Jahren!
@MITREDEN: Das hat die Köstinger von den GRÜNEN abgekupfert!!!
Beim FPÖ Antrag auf Recht auf Bargeld stimmten die Schwarzen dagegen. Die FPÖ stimmte beim ÖVP Antrag zu. Nun, welche Partei trägt mehr für Uns und unsere Kinder bei? Die ÖVP ist das nicht.
Die Blauen auch nicht. Wenn es um die eigene Macht geht, verscherbeln sie alles. Das geht Zack Zack Zack
Aber nur mehr das wenige, das Rot Schwarz noch übriggelassen hat