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Schriftsteller und Journalist Martin Pollack 80-jährig gestorben

Von nachrichten.at/apa, 17. Jänner 2025, 15:49 Uhr
Pollack feierte seine größten Erfolge mit Werken, in denen er die leidvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts beleuchtete. Bild: GEORG HOCHMUTH (APA/GEORG HOCHMUTH)

WIEN. Der vielfach ausgezeichnete oberösterreichische Schriftsteller, Übersetzer und Journalist Martin Pollack ist heute, Freitag, gestorben. Er erlag im Alter von 80 Jahren seinem langjährigen Krebsleiden, teilte der Residenz Verlag mit.

Dieser Artikel wurde um 16:28 Uhr aktualisiert.

Pollack feierte seine größten Erfolge mit Werken, in denen er die leidvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts beleuchtete und diese mit seiner eigenen NS-belasteten Familiengeschichte verknüpfte.

Vor allem mit Büchern wie "Anklage Vatermord" (2002), "Der Tote im Bunker" (2004) und "Kaiser von Amerika" (2010) habe er als Mahner gegen das Vergessen neue Maßstäbe in der Erinnerungskultur gesetzt, würdigte ihn der Residenz Verlag. Pollacks Werke, in denen er sich auch als Kenner der osteuropäischen Geschichte zu profilieren wusste, wurden in 14 Sprachen übersetzt. Im Mai erscheint laut Residenz Verlag unter dem Titel "Zeiten der Scham. Reportagen und Essays" ein weiteres Buch, das Reportagen und Essays der vergangenen Jahre versammelt und zwei neue Texte Pollacks beinhaltet, die er trotz schwerer Krankheit noch verfasst hat.

  • ZIB: Schriftsteller Martin Pollack ist gestorben

Langjähriger "Spiegel"-Korrespondent und erfolgreicher Autor

Pollack wurde am 23. Mai 1944 in Bad Hall geboren und lebte in Wien und im Burgenland. Der Autor absolvierte zuerst eine Ausbildung als Bau- und Möbeltischler und danach ein Studium der Slawistik und osteuropäischen Geschichte in Wien und Warschau. 1987-1998 war er Korrespondent des deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", ab 1998 arbeitete er als freier Autor.

Pollack machte sich u.a. als Übersetzer des polnischen Autors und Journalisten Ryszard Kapuscinski einen Namen. Auch in seinem literarischen Schaffen stand Polen immer wieder im Zentrum, etwa in Büchern wie "Galizien" (2001), "Von Minsk nach Manhattan, Polnische Reportagen" (2006) und "Sarmatische Landschaften - Nachrichten aus Litauen, Belarus, der Ukraine, Polen und Deutschland" (2006).

Familiengeschichte mit NS-Hintergrund als wiederkehrendes Thema

In "Anklage Vatermord" rekonstruierte er einen Justizskandal der 20er-Jahre, in "Der Tote im Bunker" (2004) begab er sich auf die Suche nach dem eigenen Vater, der als hochrangiger Gestapo-Beamter und SS-Offizier an maßgeblicher Stelle an der NS-Vernichtungsmaschinerie mitgewirkt hatte. 2010 schilderte Pollack in "Kaiser von Amerika" die Massenflucht von Juden, Polen und Ukrainern aus Galizien zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, 2016 erschien ein Sammelband mit seinen Essays ("Topografie der Erinnerung").

In seinem Bericht "Die Frau ohne Grab" (2019) erzählte er über das Schicksal seiner Großtante Pauline, die im Sommer 1945 als 70-Jährige von jugoslawischen Partisanen in ihrem Heimatort Tüffer in der damaligen Untersteiermark verhaftet, und in ein Internierungslager gebracht wurde. Bald darauf starb sie. Ihr Grab wurde nie gefunden.

"Resignation und Verzweiflung gehören nicht zu mir"

Gegenüber der APA erklärte Pollack, der bereits vor zwölf Jahren mit einer vernichtenden Krebsdiagnose konfrontiert wurde, bei einem Besuch im vergangenen Jahr, dass er in der Folge sein Schicksal sofort angenommen habe: "Resignation und Verzweiflung gehören nicht zu mir. Mich interessiert die Krankheit auch nicht." Dementsprechend arbeitete der umtriebige Autor auch weiter.

So hielt er im Juni 2024 etwa unter dem Titel "The Long Shadow of a Sinister Past. A Never-Ending Story" einen Vortrag am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) über Österreichs jahrzehntelange Weigerung, das Ausmaß seiner Mitschuld am Nationalsozialismus anzuerkennen. Pollack ging darin auch der heute höchst brisanten Frage nach, ob diese Weigerung das Land anfälliger für die Verlockungen des Rechtspopulismus gemacht hat.

Vielfältigste Auszeichnungen

"Pollacks Bücher dokumentieren Geschichte und verzichten großteils auf Fiktion", hieß es in der Jurybegründung des 2007 an ihn verliehenen Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels. "Sein Blick auf Gewesenes erreicht die Leser somit unverfälscht und direkt. Er gibt Zeugnis von der Vergangenheit und weist damit einen Weg in eine Zukunft, die vom Verständnis füreinander geprägt ist."

Im Sommer des Vorjahres wurde Pollack mit dem Würdigungspreis für Publizistik der Stadt Wien in "Anerkennung für ein literarisch anspruchsvolles Lebenswerk, insbesondere in seiner ethischen Dimension" geehrt. Seine zahlreichen Auszeichnungen umfassen auch den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzungen (2003), den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung (2011), den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik oder den Johann-Heinrich-Merck-Preis (beide 2018). Dessen Jury hob Pollacks Beschäftigung mit "den vergessenen und verdrängten Ereignissen in der mitteleuropäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" hervor. "Wie sehr Geschichte eine Landschaft formt und dadurch wiederum das Leben der Menschen, die in ihr wohnen, wird durch die Essays von Martin Pollack begreifbar."

Der ausgewiesene Osteuropa-Kenner äußerte sich immer wieder auch zu den jüngsten politischen Veränderungen und zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: "Es gibt wenig Grund zum Optimismus. Die Lage ist finster", sagte er zur APA, angesichts der Lage in der Ukraine, im Nahen Osten und der politischen Stimmungslage in der EU.

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