Expertinnen fordern mehr Personal für Deutschförderung im Kindergarten
WIEN. Im laufenden Schuljahr wurden in Wien 45 Prozent der Volksschüler in der ersten Klasse Volksschule als außerordentlich eingestuft.
Sie können laut Definition also nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht zu folgen, obwohl sie im Schnitt zwei Jahre den Kindergarten besucht haben. Expertinnen sehen im APA-Gespräch im Kindergarten zwar grundsätzlich viel Potenzial zur Deutschförderung - aber nur, wenn es genug und entsprechend ausgebildetes Personal dafür gibt.
Handlungsbedarf sieht Linguistin Verena Blaschitz von der Uni Wien vor allem beim Fachkraft-Kind-Schlüssel, damit nicht so viele Kinder auf eine pädagogische Fachkraft kommen. Zusätzliches Personal im Kindergarten könnte gezielter auf die sprachlichen Bedürfnisse der Kinder eingehen, so Blaschitz. In den Volksschulen wäre zur besseren Deutschförderung Teamteaching gut, wobei eine der zwei Lehrpersonen, die in der Klasse stehen, idealerweise zweisprachig sein sollte. "Wenn 25 Kinder in einer Kindergartengruppe oder einer Schulklasse sitzen, gibt es rein zeitlich gar nicht die Gelegenheit, dass jedes Kind viel zum Sprechen kommt", begründet Blaschitz. Bildungspolitisch sollte man auch darüber nachdenken, ob es eine gute Entscheidung ist, dass der Zugang zu verschränkten Ganztagsschulen oder ganztägigen Kindergartenangeboten zum Teil von der Berufstätigkeit der Eltern abhängig ist.
Bei guter Personalausstattung "schon viel möglich"
Bei der richtigen Qualität kann im Kindergarten bei der Deutschförderung tatsächlich viel weitergehen, betont Carina Schubert-Wachter, die für die Organisation "Teach For Austria" (TFA) als Individualförderin zwei Jahre lang in einer Kindergartengruppe in Wien-Favoriten gearbeitet hat. Sie hat dabei gemeinsam mit einer Pädagogin und einer Assistentin in einer Gruppe von Drei- bis Sechsjährigen Bildungsangebote durchgeführt, ein bis zwei Mal pro Woche kam zusätzlich eine Sprachförderkraft. "Ein Luxus", wie Schubert-Wachter einräumt. "Da war dann schon viel Förderung möglich." Dabei gab es lediglich ein Kind mit deutscher Erstsprache und nur die Hälfte sprach gut genug Deutsch, um sich zu verständigen. Von den zehn Kindern im letzten Kindergartenjahr konnten schließlich trotzdem alle als ordentliche Schüler ihre Schullaufbahn beginnen.
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Nicht nur die vergleichsweise gute Personalausstattung hat dabei eine Rolle gespielt, meint die mittlerweile zur Elementarpädagogin ausgebildete Schubert-Wachter, sondern auch die Dauer des Besuchs. Jene Kinder, die auch schon die Kleinkindgruppe besucht hätten, hätten sich beim Deutschlernen leichtergetan. Zwar habe das Deutschlernen auch bei den Kindern, die nur bis Mittag im Kindergarten bleiben konnten, geklappt - in ihrem Fall, weil Schubert-Wachter täglich individuelle Sprachspiele angeboten hat. Schubert-Wachter stellt aber klar: "Wichtig ist mehr Zeit mit der Sprache, egal ob das mehr Jahre oder mehr Stunden sind."
Bei "Teach for Austria" sei außerdem ganz wichtig, dass die Sprachenvielfalt der Kinder als etwas Positives begriffen werde, auch im Umgang mit den Eltern. "Wenn sich die Eltern willkommen und wertgeschätzt fühlen, überträgt sich das auf die Kinder."
Kritik an Test zur Einstufung außerordentlicher Schüler
Für Forscherin Blaschitz, Expertin für Deutsch als Zweitsprache, ist auch die Ausbildung des elementarpädagogischen Personals entscheidend. Langfristig gehöre diese endlich an die Hochschulen, zumindest müssten aber die Themen Sprachförderung, Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache eine wichtigere Rolle spielen. Dasselbe gelte auch für die Schulen. "Diejenigen, die mit den Kindern viel in Kontakt sind, müssen in dem Bereich umfassender geschult werden." Das Unterrichten in den Deutschförderklassen werde in der Praxis aber stattdessen oft von den jüngsten Kollegen übernommen, obwohl diese für diese schwierige Aufgabe nicht oder noch nicht ausgebildet seien.
Gleichzeitig streicht Blaschitz hervor, dass die Quote von 45 Prozent außerordentlichen Schülern in den ersten Volksschulklassen in Wien nicht bedeute, dass all diese Kinder zu schlecht Deutsch für den regulären Unterricht sprechen. Der MIKA-D-Test, über den der außerordentliche Status zugeteilt wird, sei nämlich gar nicht dazu in der Lage, dies zu messen. "Diese Datenbasis steht auf tönernen Füßen."
Der mit dem Start der Deutschförderklassen 2019 eingeführte MIKA-D soll feststellen, ob Kinder bzw. Jugendliche dem Unterricht auf Deutsch folgen können. Es gebe allerdings keinerlei Wissen darüber, was die Schülerinnen und Schüler dazu eigentlich können müssten, kritisiert Blaschitz. Dazu komme, dass beim Test vor allem ein aktiver Alltagswortschatz auf Deutsch abgefragt werde und nicht die passiven Deutschkompetenzen im Bildungswortschatz, wie man sie bräuchte, um dem Unterricht zu folgen. "MIKA-D misst nicht, was er zu messen vorgibt", fasst Blaschitz zusammen.
Hier gehört dringend investiert. Ob es uns passt oder nicht, aber die Kinder in Kindergärten und Volksschulen sind die erwünschten Fachkräfte in 10 - 20 Jahren. Man weiß inzwischen, wie es geht, aber es muss das nötige Personal dafür angeworben und ausgebildet werden.
Ach ja, eine Legislaturperiode dauert ja nur 5 Jahre, darum will hier keiner der Politiker wirklich was tun, und das weiter rechts stehende Drittel der Leute schreit zwar laut nach Integration, will aber dafür nichts anbieten und sieht sie als reine Bringschuld der Zuwanderer.