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Ein echter Rabeder

Von Gabriel Egger, 29. September 2018, 00:04 Uhr
Ein echter Rabeder
Gisbert Rabeder Bild: Volker Weihbold

Er kennt sie alle. Die Wege, die Wände, die Flanken, die Grate. Gisbert Rabeder hat das Tote Gebirge studiert, erklettert und zu Papier gebracht. Seine Tourenführer sind begehrte Sammlerstücke, seine Motivation ist ungebrochen.

Auf den Loser? Da kenn’ ich ein besonders schönes Wegerl. Schwer zu finden, und ein bisschen wild wird’s auch. Trauen wir ihm das zu?" Gisbert Rabeder mustert den Fotografen, von der Sonnenbrille auf dem Kopf bis zu den fest geschnürten Wanderschuhen an den Füßen. Dann schweift sein Blick über die vom Herbst gefärbten Wiesen der Augstalm hinauf zur Burg aus Kalk, die über dem Ausseerland thront. Die Tür zum Loser steht uns offen, wir müssen nur mehr über die Schwelle treten. Sie befindet sich in der Südwand, umgeben von aufragenden Pfeilern und senkrechten Wänden.

Das "Thörl" ist der breite Durchschlupf zum 400 Kilo schweren Kreuz aus Stahl, das der Schwanenstäder Turnverein einst auf den Gipfel trug. "Wenn er will, dann kriegen wir das hin", sagt Rabeder mit einem Augenzwinkern, vielmehr motivierend als fragend. Der Fotograf will.

Ein echter Rabeder
Gisbert Rabeder Bild: Volker Weihbold

Die Bibel des Toten Gebirges

Der Dachsteingletscher gegenüber weint in der Sonne, als wir das mühevolle Schotterfeld hinter uns lassen. Steile Grasflanken voraus. Rabeders stilechte Lederschuhe mit der modernen Vibram-Sohle kratzen kurz am Fels, bevor die Wanderstöcke übernehmen. Seine Bewegungen sind flüssig, fast automatisch. Dass Rabeder 79 Jahre alt ist, glaubt man erst, wenn er sich ausweist.

Dass er in seinem Leben mehr Berg- als Talfahrten erlebt hat, kann man dem freundlichen, hageren Gesicht und den sehnigen Beinen trotzdem ansehen. Und man kann es lesen. 336 Seiten ist der Gebietsführer "Totes Gebirge" dick, den Rabeder in mühevoller Detailarbeit angefertigt hat. Den Großteil, "etwa 90 Prozent", der darin angeführten Berg- und Klettertouren hat er selbst bewerkstelligt, einige davon sind Erstbegehungen. Das Werk ist längst vergriffen, 10.000 Stück wurden verkauft. Es ist die Bibel des Toten Gebirges. Jeder Alpinist findet darin seinen Weg. Von leicht bis schwer. Vom Wanderweg zur Wandentfaltung.

Ein echter Rabeder
Das „Thörl“, der Einschnitt in der Südwand des Losers Bild: Volker Weihbold

Gisberts wilde 60er

"Einen echten Rabeder gehen" heißt es unter Bergsteigern, wenn man einer seiner Linien folgt. Oft sind diese nur beschwerlich zu erreichen und nicht mehr ganz so leicht, wie sie beschrieben wurden. "Du musst dir vorstellen, dass der sechste Schwierigkeitsgrad damals eine Heldentat war. Dass es noch viel schwerer geht, hat niemand geglaubt. Einiges wurde mittlerweile angepasst, viele Touren aber seit damals kaum wiederholt", sagt Rabeder, während wir vor der felsdurchsetzten Rinne stehen, die uns aufs Plateau führen soll.

Gisbert Rabeder, glücklich verheiratet, vier sportliche Kinder, wohnt schon lange am Wolfgangsee. "Das Tote Gebirge hat mich nie in Ruhe gelassen. Ich hab’s ja immer noch im Blick", sagt er. Angefangen hat alles, da war Rabeder erst 14 Jahre alt. Seine ersten Griffe und Tritte fand der gebürtige Linzer nicht im Karst des Toten Gebirges, sondern im Granit des Mühlviertels. Mit dem Postbus nach Gramastetten zum Kletterfelsen und mit einem Muskelkater zurück.

Die Ausbildung zum Förster führte ihn nach Gmunden, der Urlaub nach Hinterstoder. "Wir hatten ja nur zwei Wochen, und die Westalpen waren unerschwinglich." Auf eine gelungene Skiabfahrt vom Mont Blanc kann er trotzdem zurückblicken.

Im Linzer Alpenverein wuchs Rabeders Drang nach Draußen, mit Zwillingsbruder Gernot der Mut zur Vertikalen. "Vor allem im Herbst sind wir oft mit dem Zug nach Hinterstoder gefahren und haben uns am Wochenende im Prielschutzhaus einquartiert", erinnert sich Rabeder. Auf den Hutterer Böden diente eine Almhütte als zusätzliches Basislager. In den 60er Jahren sei es dann richtig ernst geworden.

Begleitet von vielen Weggefährten erschlossen die Brüder Stück für Stück das Tote Gebirge, dokumentierten die Wege penibel und zeichneten die Routen auf. Mehr als zehn Jahre lang. Im Winter zogen sie einsame Spuren über das Karstplateau. Auch darüber schrieben sie. Und auch diese alpine Rarität ist längst vergriffen.

Ein echter Rabeder
Die leichte Kletterei im steilen Schrofengelände ist für Rabeder kein Problem. Bild: Volker Weihbold

Die Stimmen werden lauter, die Einsamkeit verliert sich in bunt gemischten Wandergruppen, als wir nach einigen beherzten Griffen den Ausstieg des Loser Thörls erreichen. "Willkommen im Toten Gebirge", sagt Rabeder und lässt seinen rechten Zeigefinger über die Gipfel gleiten. Vom Kasberg über die Hohe Schrott bis zum Kampl in Bad Mitterndorf. Auf die Frage, welches Eck ihm denn am besten gefalle, findet Rabeder viele Antworten. "Der Nordpfeiler auf die Spitzmauer, die Klettertouren am Großen Priel und die Nordwände von Schermberg und Pyhrner Kampl. All das seien "herrliche G’schichten" gewesen. Aber auch eine weglose Umrundung des Loserstocks. "Aber das musst halt’ kennen, sonst findest du es nicht", sagt der 79-Jährige.

Rabeders Weitwanderweg

Der Zugang zum Bergsport habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert, sagt Rabeder, als er es sich auf der hölzernen Bank auf dem Gipfel gemütlich macht. Sein höchstes Ziel sei es gewesen, einen Gipfel auf einem möglichst schwierigen Weg oder besser noch auf einer neuen Route zu erreichen. "Jetzt wollen es viele Kletterer eher gemütlich haben. Ein langer, mühsamer Zustieg schreckt viele ab. Mir hat das immer getaugt", sagt er.

Ein echter Rabeder
Der Gipfel des Losers ist erreicht. Zeit zum Innehalten. Bild: Volker Weihbold

Talnahe Steilwände, die gut mit Bohrhaken abgesichert sind. "Die sind jetzt modern." Dabei gebe es sogar in "seinem" Toten Gebirge noch eine Wand, die auf ihre Erstdurchsteigung wartet. Die Südwand des 1907 Meter hohen Siniweler. Mauerglatt und extrem schwierig zieht sie sich über dem Grundlsee in die Länge . "Die wildeste Wand, die ich im Toten Gebirge je gesehen habe." Rabeder selbst wird es nicht mehr versuchen. Der fünfte Schwierigkeitsgrad reicht dem 79-Jährigen mittlerweile. In den Wäldern und Bergen seiner Heimat sei er dennoch täglich unterwegs. "Es gibt ja immer was zu tun", sagt er und blickt hinab auf das tiefe Blau des Wolfgangsees. Dort ist Rabeder immer noch ein Wegbereiter. Als Wegewart für die Gemeinden Strobl und St. Wolfgang und als Gestalter des Salzkammergut-Weitwanderweges. Alle 21 Etappen des "Berge-Seen-Trails" ist er abgegangen, hat die Schwierigkeiten überprüft und Markierungen angebracht. Im Winter macht er den Kindern in Strobl als Langlauftrainer Beine.

Ein echter Rabeder
Die Unterschrift Rabeders findet sich in vielen Gipfelbüchern des Toten Gebirges. Bild: Volker Weihbold

Bergmüde war Rabeder nie. Nur am Knie hat es einmal längere Zeit gezwickt. "Seitdem ziehe ich mir für den Abstieg einen Strumpf drüber. Dann geht’s ganz gut."

Der grau-blaue Strumpf sitzt auch, als wir uns langsam Richtung Loserhütte aufmachen. Die Fernsicht reicht weit über die Berchtesgadener Alpen bis zu den Dreitausendern der Hohen Tauern, der Herbst spielt die goldene Karte. "Gut hast du es gemacht", sagt Rabeder zum Fotografen, als er sich verabschiedet. Den Nachmittag will der 79-Jährige nicht im Haus verbringen. "Ein so schönes Tagerl, da rück’ ich vielleicht noch einmal aus." Ein echter Rabeder eben.

Ein echter Rabeder
Die stilechten Lederschuhe sind mit einer neuwertigen Sohle ausgestattet. Bild: Volker Weihbold

Der Autor Rabeder

Gisbert Rabeder hat seine Bergtouren in neun umfangreichen Gebietsführern festgehalten.

Alpenvereinsführer Totes Gebirge, 336 Seiten, Bergverlag Rother, 4. Auflage 2005

Skiführer Totes Gebirge, 188 Seiten, 1970

Skiführer Dachsteingebirge, 195 Seiten, 1976

Skitouren in den Schladminger Tauern, Spezialführer für Skibergsteiger 288 Seiten, 1982

Skiführer Rottenmanner und Wölzer Tauern, 224 Seiten, 1991

Skiführer Triebener Tauern, 157 Seiten, 1988

Skiführer Radstädter Tauern, 234 Seiten, 1984

Skitouren rund um den Wolfgangsee, 58 Abfahrten, 2013

Skitouren von Salzburg bis Bad Ischl, 60 Abfahrten, 2014

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